Geschichte der deutschen Sprache
Das Wichtigste in Kürze
Sprachen verändern sich im Laufe der Zeit – und dies auf der ganzen Welt. So hat auch die deutsche Sprache ihre Geschichte: Sie war zu Beginn anders als heute und wird in Zukunft abermals ihre Form ändern. Es ist unter anderem die historische Linguistik (= historische Sprachwissenschaft), welche die Veränderung von Sprache und ihre vielfältigen Gründe untersucht. Sie ist ein Teilbereich der wissenschaftlichen Disziplin der Linguistik (= Sprachwissenschaft), zu der im weiteren Sinne auch die Grammatik und Rechtschreibung gehören.
Info 1: Geschichte
Die Geschichte der deutschen Sprache beginnt mit dem Einsetzen der Schriftlichkeit der deutschen Sprache, und zwar um 750 n. Chr. Der Vorgänger des „Deutschen“ ist das Germanische, das sich aus dem Indogermanischen (= Indoeuropäisch) entwickelt hatte. Das Indogermanische ist die Ausgangssprache von vielen bekannten Sprachen (von Hindi bis Französisch), die somit verwandt sind. Die Geschichte der deutschen Sprache hat also eine Vorgeschichte, auf die hier aber nicht näher eingegangen wird.
Die Geschichte der deutschen Sprache wird in Lehrbüchern häufig in sechs Epochen eingeteilt. Sie könnte aber auch anders eingeteilt werden.
750–1050 | Althochdeutsch (Ahd.) |
1050–1350 | Mittelhochdeutsch (Mhd.) |
1350–1650 | Frühneuhochdeutsch (Frnhd.) |
1650–1800 | Älteres Neuhochdeutsch (Nhd.) |
1800–1950 | Jüngeres Neuhochdeutsch (Nhd.) |
1950–heute | Gegenwartssprache |
Info 2: Veränderungen
Eine Sprache verändert sich in vielerlei Hinsicht – vor allem aber auf folgenden Ebenen:
- Veränderungen auf der Ebene des Lauts (Dies untersucht u.a. die historische Phonologie.):
Im Mittelalter wurde das, was wir heute als „Apfel“ bezeichnen, „Apful“ genannt.
Das „th“ im ahd. Wort „thorf“ (nhd. „Dorf“) wurde anfänglich noch gelispelt ausgesprochen.
-
Veränderungen auf der Ebene des Wortes und seiner Bedeutung (Dies untersucht u.a. die Etymologie.)
Aus lat. „Amphoreus“ wurde im Laufe der Geschichte zuerst „Ampulla“ und dann „Ampel“.
„Idiot“ bedeutete im 18. Jahrhundert „Sonderling“, heute „Dummkopf“.
-
Veränderungen auf der Ebene der Satzstruktur (Dies untersucht u.a. die historische Syntax.):
Die Satzstrukturen im Deutschen gleichen immer weniger den Strukturen des Lateins.
Die historische Linguistik (= historische Sprachwissenschaft) hat es also vor allem mit der Phonologie, der Etymologie und der Syntax zu tun.
Info 3: Weitere Aspekte
Beim Betrachten der Geschichte und der Veränderung einer Sprache können vier weitere Felder untersucht werden:
- Morphologie: Wie sind Wörter typischerweise aufgebaut? Damals und heute?
-
Pragmatik: Wie wird Sprache üblicherweise benutzt? Damals und heute?
-
Semiotik: Wie werden sprachliche Zeichen meist verstanden? Damals und heute?
-
Soziolinguistik: In welcher Beziehung stehen Sprache und Gesellschaft?
So hat es die historische Linguistik in manchen Fällen auch mit der Morphologie, der Pragmatik, der Semiotik oder der Soziolinguistik zu tun.
Info 4: Älteres Deutsch lesen
Es kann sein, dass Du einen Text aus einer dieser Sprachstufen lesen musst. Dann ist es ratsam, ihre Merkmale kurz anzuschauen: Wetten, dass Du den Text dann besser verstehst? Beachte, dass sich zwei Texte derselben Epoche ziemlich unterscheiden können, wenn der eine ganz am Anfang und der andere ganz am Ende der Epoche geschrieben wurde. Außerdem solltest Du im Hinterkopf behalten, dass Verlage in neuen Auflagen von älteren Texten manchmal die Orthografie (und Sonstiges) anpassen.
Vorneweg gesagt: Einige Merkmale haben mit dem Latein zu tun. Das Lateinische war im deutschsprachigen Raum sehr lange die vorherrschende Schriftsprache. Deutsch wurde nur allmählich verschriftlicht und konnte das Latein lange nicht verdrängen.
Althochdeutsch (750–1050)
Merkmale | Textbeispiel |
o
Sehr große Unterschiede zum heutigen Deutsch
o
Schwer verständlich
o
Lateinische Lehnwörter
o
Mehr lange Vokale (^) als heute
o
Wortstellung ist noch freier.
o
Z.T. doppelte Verneinung
o
Mehr Konjunktive als heute | Fater unseer, thu pist in himile, uuihi namun dinan, qhueme rihhi diin, uuerde uuillo diin, so in himile sosa in erdu.
(Vaterunser, Übersetzung d. Matthäus-Evangeliums) |
Mittelhochdeutsch (1050–1350)
Merkmale | Textbeispiel |
o
Große Unterschiede zum heutigen Deutsch
o
Z.T. schwer verständlich
o
Lateinische Lehnwörter
o
Mehr lange Vokale (^) als heute
o
Wortstellung ist noch freier.
o
Z.T. doppelte Verneinung
o
Mehr Konjunktive als heute | Ein ritter tugende rîche nam ein wîp êlîche. dô wolde si ir willen hân und des sînen niht begân
(Die eingemauerte Frau 13. Jh., Der Stricker) |
Frühneuhochdeutsch (1350–1650)
Merkmale | Textbeispiel |
o
Einige Unterschiede zum heutigen Deutsch
o
Lateinische Lehnwörter
o
Einige französische Lehnwörter
o
Langatmiger, verschnörkelter Satzbau (nach lateinischem Muster)
o
Mehr Nebensätze als früher | Er begabte mich mit der herrlichsten Dignitaet / so sich nicht allein bey seiner Hofhaltung / sondern auch in der gantzen Welt befande / nemlich mit dem Hirten-Ampt
(Simplicissimus Teutsch 1669, Grimmelshausen) |
Älteres Neuhochdeutsch (1650–1800)
Merkmale | Textbeispiel |
o
Kaum Unterschiede zum heutigen Deutsch
o
Nomen-Großschreibung
o
Lateinische Lehnwörter werden langsam eingedeutscht.
o
Französische Lehnwörter
o
Langatmiger, verschnörkelter Satzbau (nach lateinischem Muster)
o
Mehr Nebensätze als früher | Darinnen erstlich die allgemeinen Regeln der Poesie, hernach alle besondere Gattungen der Gedichte, abgehandelt und mit Exempeln erlaeutert werden: Uberall aber gezeiget wird Daß das innere Wesen der Poesie in einer Nachahmung der Natur bestehe.
(Versuch einer critischen Dichtkunst 1730, Gottsched) |
- Jüngeres Neuhochdeutsch (1800–1950)
- Viele Ähnlichkeiten mit dem heutigen Deutsch
- Gewisse Schreibweisen noch anders als heute
- Lateinische Lehnwörter sind eingedeutscht.
- Französische Lehnwörter werden langsam eingedeutscht (z.B. „c“ zu „k“).
-
Vereinzelt noch langatmiger, verschnörkelter Satzbau
-
Mehr Originalität in der Sprachverwendung als früher
- Gegenwartssprache (1950–heute)
- Entspricht dem heutigen Deutsch.
-
Normierte Rechtschreibung
-
Lateinische und französische Lehnwörter sind eingedeutscht.
-
Wort-Entlehnungen aus dem Englischen (Bsp. „Internet“)
-
Kürzere Sätze als früher
-
Mehr Originalität in der Sprachverwendung als früher