Sprachwandel: Ebenen und Deutungen
Das Wichtigste in Kürze
Sprache ist stetig im Wandel. So war unsere Sprache vor 1000 Jahren vollkommen anders, als sie es heute ist. Würdest Du jemanden aus dieser Zeit treffen, könntet ihr euch kaum verständigen. Und in 10 und 100 Jahren wird sich unsere Sprache wieder geändert haben, denn auch heute noch passiert Sprachwandel.
Der ständige Sprachwandel wird deutlich, wenn man Wörter und Formulierungen aus vergangenen Jahrhunderten mit heute vergleicht. Manche Begriffe werden nicht mehr verwendet, manche ändern ihre Bedeutung und wieder andere entstehen neu.
Info 1: Ebenen des Sprachwandels
Der Prozess des Sprachwandels vollzieht sich auf allen Ebenen des Sprachsystems. Somit gibt es unterschiedliche Phänomene, wie der Sprachwandel zum Vorschein kommt. Mal verändert sich die Sprache mehr, mal weniger.
LAUTEBENE
(= Phonologie)
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Es kommt zu Lautveränderungen.
Jetzt“ war früher als „jetzo“ in Gebrauch.
WORTEBENE
(= Lexik und Morphologie)
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Neue Wörter oder Ausdrücke entstehen, etwa durch die Integration von Fremd- und Lehnwörtern und seltener auch durch Wortneuschöpfung.
Das Wort „chillen“ für „entspannen“ ist erst seit Kurzem in Verwendung.
- Die Flexion von Wörtern entwickelt sich, es kommt zu Gebrauchs- und Formverschiebungen.
Immer häufiger wird Perfekt statt Präteritum verwendet.
Starke (= unregelmäßige) Verben gehen zur schwachen Flexion über. Statt „er buk“ sagt man heute eher „er backte“.
Der Genitiv wird in gewissen Kontexten zunehmend durch Dativ ersetzt.
EBENE DER SATZSTRUKTUR
(= Syntax)
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Die Syntax, welche die Anordnung der Wörter in einem Satz regelt, ändert sich.
Es wird immer üblicher, das konjugierte Verb in nachgestellten weil-Nebensätzen an die zweite Stelle zu setzen: „Ruf mich später an, weil ich muss dir etwas erzählen.“
EBENE DER SCHREIBUNG
(= Graphie)
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Auch die Rechtschreibung verändert sich über die Zeit.
„Schluß“ anstatt „Schluss“ war einmal die korrekte Rechtschreibung.
BEDEUTUNGSEBENE
(= Lexik und Semantik)
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Es kann zu einer Bedeutungsveränderung von Wörtern kommen.
Als „Dirne“ wurde früher ein Mädchen bezeichnet, heute bezeichnet das Wort eine Prostituierte.
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Manche Wörter und Ausdrücke kommen außer Gebrauch.
Mit „Flegel“ wurde früher ein frecher Junge bezeichnet, heute ist dieses Wort kaum noch in Gebrauch.
Info 2: Ursachen des Sprachwandels
Es gibt unterschiedliche Gründe und Ursachen, warum sich eine Sprache verändert. Grundsätzlich gilt: Wenn sich die Welt und die Menschen ändern, ändert sich auch die Sprache.
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Einflüsse anderer Sprachen bei Sprachkontakt (z.B. Migration oder Einfluss der Weltsprache Englisch)
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Neue Gewohnheiten in der Kommunikation (z.B. Präferenz von Hochdeutsch)
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Sprachliche Richtlinien (z.B. Rechtschreibreform 1996)
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Entwicklung von neuen Technologien (z.B. Internet)
Ein eher allgemeiner Grund für Sprachwandel ist die sogenannte „Sprachökonomie“. Dieser Begriff bedeutet, dass Leute, wenn sie die Wahl haben, zu kürzeren und einfacheren Ausdrücken tendieren. Sie möchten beim Sprechen und Schreiben Zeit sparen.
Hinweis:
Während es zahlreiche Dinge gibt, die den Sprachwandel vorantreiben, existieren auch Dinge, die den Sprachwandel verlangsamen. Die Verschriftlichung einer Sprache kann den Prozess des Sprachwandels zum Beispiel etwas verlangsamen.
Zusatzinfo: Sprachverfall durch Fremd- und Lehnwörter?
Ein Beispiel von Sprachwandel im Neuhochdeutschen ist, dass die deutsche Sprache seit Beginn des 20. Jahrhunderts von der Weltsprache Englisch beeinflusst wird. Im Zuge dessen haben sich zahlreiche englische Lehn- und Fremdwörter (= Anglizismen) im deutschen Wortschatz etabliert.
Die einen Leute kriegen diesen Prozess kaum mit, während andere denken, er sei etwas Neues – ebenso wie Sprachwandel allgemein – und es käme dadurch zu einem Sprachverfall. Diese Leute sind der Ansicht, die Sprache ihrer Vorfahren sei „richtig“ gewesen. Die Jungen verwendeten hingegen zu viele Anglizismen und sprächen somit „falsch“.
Tatsächlich hat sich die Sprache aber nie nicht verändert. Und während sich die Sprache ändert, ist es nichts Unübliches, dass Wörter aus anderen Sprachen übernommen werden. Man denke an die zahlreichen lateinischen, griechischen und französischen Fremd- und Lehnwörter, die in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden Teil unseres Wortschatzes geworden sind.
Hinweis:
Viele Anglizismen sind mittlerweile vollständig integriert, sodass sie in Aussprache, Schreibung und Grammatik an das Deutsche angepasst sind. In diesen Fällen spricht man auch von (englischen) Lehnwörtern.
Beispiele – engl. Lehnwörter:
flirten engl. to flirt
Keks engl. cakes
gedownloadet engl. downloaded