Literaturepochen: Merkmale und Eigenschaften
Das Wichtigste in Kürze
Die französischsprachige Literatur kann genauso in Epochen unterteilt werden wie die französische Geschichte. Die verschiedenen Epochen sind von gewissen Autorinnen und Autoren geprägt und meist durch einen bestimmten Stil charakterisiert. In dieser Zusammenfassung stehen die wichtigsten Informationen zu den Epochen der letzten 1400 Jahre.
Info 1: Die Epochen
Es gilt, zu jeder Literaturepoche über die folgenden Punkte Bescheid zu wissen:
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Historische Kontexte: Was ist damals passiert?
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Inhaltliche Schwerpunkte: Was hat die Menschheit beschäftigt?
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Stilistische Eigenheiten: Wie wurde geschrieben, gesprochen, dargestellt?
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Zentrale Autor*innen und Werke: Wer/Was hat dieses Zeitalter geprägt?
LE MOYEN ÂGE (MITTELALTER): CA. 600-1400
Geschichtliches: Das Mittelalter beginnt mit dem Niedergang des weströmischen Reiches und bezeichnet die Epoche zwischen dem Ende der Antike und dem Beginn der Neuzeit.
Inhaltliches: Typisch für die französische Literatur des Mittelalters sind:
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les chansons de geste: Lange Gedichte, die meist von vergangenen kriegerischen Heldentaten berichten.
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les œuvres courtoises: Es geht um die mittelalterlichen Vorstellungen von Liebe und Eroberung.
Stilistisches: Verse, Allegorien
Autor*innen: Chrétien de Troyes, Marie de France
RENAISSANCE/HUMANISMUS: CA. 1400-1600
Geschichtliches: Beginnt in Italien; Europäische Kulturepoche zur Zeit des Umbruchs vom Mittelalter zur Neuzeit. Die Antike wird entdeckt („Renaissance“ = Wiedergeburt antiker Wertevorstellungen und Ansichten), der christliche Glaube wird reformiert.
Inhaltliches: Thematisiert werden unter anderem der Mensch, seine Freiheit und seine Fähigkeiten.
Stilistisches: Geschrieben wird oft in einer Volkssprache, damit jede*r die Texte verstehen kann. Es entstehen neue literarische Gattungen (zum Beispiel das Essay) und neue Gedichtformen (wie das Sonett).
Autor*innen: Pierre de Ronsard, François Rabelais, Michel de Montaigne.
L’ÂGE CLASSIQUE (KLASSIK): CA. 1660-1715
Geschichtliches: Louis XIV (der Sonnenkönig) ist an der Macht, Frankreich ist absolutistisch.
Inhaltliches: Debattiert wird über:
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Ordnung, Mass und Vernunft
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Themen, welche von der griechischen Mythologie inspiriert sind
Stilistisches: Der Stil wird vorgeschrieben: Es gibt klare Vorgaben, was „gut“ ist, Dramen werden in drei Einheiten definiert (Zeit, Ort, Handlung).
Autor*innen: Molière, Jean de la Fontaine, Madame de Lafayette
LE SIÈCLE DES LUMIÈRES (AUFKLÄRUNG): CA. 1715-1789
Geschichtliches: Beschreibt die Zeit nach dem Tod von Louis XIV (1715) bis zur französischen Revolution (1789). Es handelt sich um eine Aufbruchszeit, in der alte Vorstellungen durch neue Ideen verdrängt werden.
Inhaltliches: Debattiert wird über:
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Glaube, Wissenschaft, Vernunft
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Ein bekanntes Zitat dieser Zeit lautet „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ (Kant)
Stilistisches: Die Protagonist*innen der Werke sind bürgerlich, es entstehen Briefromane (romans épistolaires).
Autor*innen: Voltaire, Montesquieu, Marivaux
ROMANTISME (ROMANTIK): CA. 1795-1845
Geschichtliches: Epoche, die im 18. Jahrhundert in Deutschland beginnt und sich in ganz Europa ausbreitet. Neben der Literatur prägt die Romantik ebenfalls die Kunst, die Musik sowie die Politik.
Inhaltliches: Die Menschen...
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wenden sich von der Antike ab, welche seit der Renaissance thematisiert worden ist.
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konzentrieren sich auf ihre eigene Sprache und Kultur.
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beschäftigen sich mit der Natur, der Liebe, der Sehnsucht und der Individualität.
StilistischesOffene Formen in Gedichten und Texten. Es entstehen viele Beschreibungen in bildlicher Sprache, die Texte beinhalten Metaphern.
Autor*innen: Anne-Louise Germaine de Staël, Victor Hugo
RÉALISME (REALISMUS): CA. 1830-1870
Geschichtliches: Der Realismus entwickelt sich in der Malerei in Frankreich. Viele Bürger*innen sind unzufrieden mit dem Ausgang der französischen Revolution und fordern mehr politische Mitbestimmung.
Inhaltliches: Das zentrale Thema ist die „Wirklichkeit“ und alles, was als realistisch erscheint. Auch Unschönes wird porträtiert.
Stilistisches: discours indirect libre (freie indirekte Rede)
Autor*innen: Stendhal, Flaubert
NATURALISME (NATURALISMUS): 1880-1900
Geschichtliches: Der Naturalismus entsteht aus dem Realismus. Der Fokus des Naturalismus liegt jedoch verstärkt auf der Wissenschaft.
Inhaltliches: Die Realität soll so gezeigt werden, wie sie ist, und nicht so, wie sie sein sollte. Diverse Künstler*innen sowie Schriftsteller*innen konzentrieren sich auf das Negative und Hässliche (les mœurs des gens). Gewisse Tabus werden angesprochen.
Stilistisches: nichts Besonderes
Autor*innen: Marcel Proust, Guy de Maupassant, Émile Zola
SYMBOLISMUS (SYMBOLISME): 1850-1920
Geschichtliches: Bruch mit den materialistischen und wissenschaftlichen Gewissheiten des Naturalismus. Schaffung einer eigenen, geheimnisvollen Kunstwelt: l’art pour l’art.
Inhaltliches: Symbole, Bilder und Analogien werden verwendet, um abstrakte Ideen zu beschreiben.
Stilistisches: bildhafte und sinnliche Sprache
Autor*innen: Arthur Rimbaud, Paul Verlaine, Charles Baudelaire
SURRÉALISME (SURREALISMUS): 1918-1940
Geschichtliches: Der Surrealismus entsteht aus dem Dadaismus. André Breton definiert den Surrealismus, indem er sagt, dass er auf den Werten des Irrationalen, Absurden, des Traums, des Begehrens und der Revolte beruht.
Inhaltliches: Themen sind
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Kindheit
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Freiheit
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das Unbewusste
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das Absurde
Stilistisches: Metaphern, syntaktische Brüche
Autor*innen: André Breton, Ionesco
EXISTENTIALISME (EXISTENZIALISMUS): 1940-2000
Geschichtliches: Entstand während der deutschen Besetzungszeit um 1940 in Frankreich. Der Existenzialismus wird durch die individuelle Existenz und die Subjektivität charakterisiert. Wichtig ist die Freiheit des Individuums: „Die Existenz geht der Essenz (dem Wesen) voraus“ (Sartre).
Inhaltliches: Das Wesen der menschlichen Existenz wird in den Mittelpunkt gestellt. Der Mensch soll aktiv werden und seinem eigenen Leben einen Sinn verleihen.
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Freiheit, Gleichheit, Glaube
Stilistisches: Der Stil spielt keine Rolle, im Zentrum der Werke steht die Botschaft allein.
Autor*innen: Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre, Albert Camus
Info 2: Was bringt’s?
Diese Einteilung hilft Dir, die Texte besser zu verstehen, welche im Französischunterricht behandelt werden. Wenn Du zum Beispiel ein Werk aus der Epoche des Realismus liest, so sind Dir die Infos zum „Realismus“ eine Stütze:
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Du weisst bereits, in welchem Kontext das Werk entstanden ist (als die Menschheit der Wissenschaft einen hohen Stellenwert eingeräumt hat).
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Du weisst schon, um welche Inhalte es damals gegangen ist (um die Wirklichkeit, die Realität).
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Du weit zudem, welcher Stil damals praktiziert wurde.
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Wie zeigt sich das alles im Text, den Du gerade liest?
Extrainfo: Probleme der Epocheneinteilung
Die Grenzen der verschiedenen Epochen sind unscharf. Es ist möglich, dass ein Werk nicht ganz seiner Epoche entspricht: Beispielsweise kann ein Werk um 1850 erschienen und trotzdem mehrheitlich von der Romantik geprägt sein. Allerdings werden im
Unterricht meist Texte gelesen, welche typisch für eine gewisse Epoche sind.