Prozesse der Kernspaltung und Kettenreaktion
Das Wichtigste in Kürze
Durch Neutronenbeschuss eines schweren Atomkerns, wird dieser in zwei mittelschwere Kerne mit unterschiedlicher Masse umgewandelt, wobei zwei oder drei Neutronen frei werden. Dieser Vorgang wird Kernspaltung genannt. Die freigewordenen Neutronen können nun weitere Kernspaltungen auslösen, wodurch eine sogenannte Kettenreaktion entsteht.
Kernspaltung
Forschende haben versucht, Elemente mit höheren Ordnungszahlen zu erzeugen. Dazu wurde Uran mit Neutronen beschossen, welche anschliessend durch den Beta-Zerfall in ein neues Element zerfallen sollten. Dabei wurde aber entdeckt, dass sich Spuren von anderen Elementen mit geringerer Ordnungszahl zeigten. Beispielsweise wurde Barium (Ba) und Krypto (Kr) oder Caesium (Cs) und Rubidium (Rb) bzw. deren Zerfallsprodukte gefunden. Durch den Beschuss mit dem Neutron hat sich der grosse Urankern in zwei kleinere Kerne gespaltet. Die meisten dieser Spaltprodukte sind instabil und daher wandeln sie sich durch β−-Zerfälle weiter um.
Beispiel
Die Abbildung zeigt das Beispiel einer Spaltung und anschliessend den Zerfall der erzeugten Kerne (durch β−-Zerfall):
Neben den beiden kleineren Kernen werden bei der Kernspaltung gleichzeitig zwei oder drei Neutronen frei. Diese können auf weitere Urankerne treffen, welche dadurch ebenfalls zur Spaltung angeregt werden. Somit entsteht eine Kettenreaktion.
Energiebilanz
Wenn ein Neutron angelagert wird, wird Bindungsenergie freigesetzt. Bei U-235, U-233 und beim Pu-239 reicht diese umgewandelte Bindungsenergie aus, dass der Kern gespaltet wird. Die dabei frei werdenden Neutronen haben eine hohe kinetische Energie.
Die Ursache dieser freigesetzten Energie besteht darin, dass der ursprüngliche Urankern und das Neutron zusammen eine grössere Masse aufweisen, als die entstehenden Kerne und die zwei bis drei Neutronen, die dabei freigesetzt werden. Es entsteht ein sogenannter Massendefekt. Mit der bekannten Gleichung von Einstein E=m⋅c2 kann die bei einer Spaltung freigesetzte Energie bestimmt werden.
Beispiel
Schauen wir uns die Spaltung von Uran-235 an:
Reaktionsgleichung:
92235U + 01n → 92236U→ 9689Kr + 56144Ba+3⋅ 01n
Was ist die bei dieser Spaltung freigesetzte Energie?
Gegeben: Die atomaren Massen sind bekannt: mU=236,0456 u, mKr=88,9176 u, mBa=143,9230 u, mn=1,0087 u, mit 1u=1,6605⋅10−27 kg, Lichtgeschwindigkeit: c=2,9979⋅108 sm
Gesucht: freigesetzte Energie E
Lösung:
Um die freigesetzte Energie zu bestimmen, berechnen wir vorerst den Massendefekt:
Δm=mU−(mKr+mBa+3⋅mn)=236,0456 u−235,8667 u=0,1789 u
Somit erhalten wir für die freigesetzte Energie:
E=Δm⋅c2=0,1789⋅1,6605⋅10−27 kg⋅(2,9979⋅108 sm)2=2,6698⋅10−11 J
Es wird also ungefähr 2,7⋅10−11 J freigesetzt. Das wirkt wie sehr wenig Energie, jedoch ist das nur die freigesetzte Energie einer einzigen Spaltung. Bei einer Kettenreaktion erfolgen eine Vielzahl solcher Spaltungen, wodurch die Energiegewinnung sehr hoch wird.
Kettenreaktion
Wenn also diese freigewordenen Neutronen auf weitere Urankerne treffen und diese gespalten werden, werden wiederum neue Neutronen freigesetzt. Dadurch entsteht eine Kettenreaktion. Durch diese Kettenreaktion können in enorm kurzer Zeit eine grosse Anzahl an Kernen gespaltet werden, wodurch eine grosse Menge an Energie, die sogenannte Bindungsenergie, freigesetzt wird. Dies ist deshalb der Fall, weil der schwerere Kern mehr Bindungsenergie benötigt, als die beiden leichteren Kerne zusammengerechnet.
Eine Spaltung und eine Kettenreaktion hängen jedoch von gewissen Voraussetzungen ab. Laut der Energiebilanz kann eine Spaltung nur stattfinden, wenn die Bindungsenergie, welche durch die Anlagerung des Neutrons an den Kern umgesetzt wird, höher ist als die für die Spaltung des Kerns erforderliche Energie. Weiter sind die Neutronen, welche bei einer Spaltung frei werden, zu schnell und können nur mit geringer Wahrscheinlichkeit weitere Urankerne spalten. Werden diese Neutronen durch Stösse abgebremst, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit wiederum. Natürliches Uran besitzt nur einen sehr kleinen Prozentanteil an spaltbarem Uran-235 und deshalb werden die meisten Neutronen von Uran-238 oder anderen Spaltprodukten absorbiert.
Kritische Masse
Es ist auch möglich, dass eine Kettenreaktion von allein beginnt. Dafür muss jedoch eine Mindestmasse an Spaltmaterial, die sogenannte kritische Masse, vorhanden sein.