Ein Schoggi-Gipfeli in der Morgenpause hat einen Wert, sonst würden wir es uns nicht leisten. Warum aber kommt jemand auf die Idee, so ein Gipfeli herzustellen, und wie genau tut er oder sie das? Der Bäckermeister will Geld verdienen und weiss, dass viele Leute Gipfeli mögen. Also kauft er Zutaten wie Mehl oder Schokolade von anderen Unternehmen ein. Diese Zutaten nimmt er, um sie mithilfe von Arbeit (Mitarbeitende), Kapital (Maschinen) und Boden (Bäckerei) in ein fantastisches Schoggi-Gipfeli zu verwandeln. In so einer Köstlichkeit steckt also buchstäblich viel Handwerk.
Die Differenz zwischen dem, was die Kunden für ihr Gipfeli bezahlen, und dem Preis für alles, was der Bäckermeister braucht, um ein Gipfeli herzustellen, ist der Mehrwert. Der Mehrwert aller Gipfeli, Brote und Kuchen entspricht der sogenannten Wertschöpfung der Bäckerei (von « Wert schöpfen », also « Mehrwert schaffen »). Aus diesem zusätzlichen Geld werden der Bäckermeister und alle Angestellten bezahlt. Der Bäcker kauft von seinem Einkommen ein Handy, und die Besitzerinnen und Mitarbeitenden der Handy-Fabrik kaufen wiederum Gipfeli und anderes: So entsteht ein Wirtschaftskreislauf. Dieser verändert sich ständig, weil es Menschen mit neuen Ideen gibt, die neue Dinge und Herstellungsarten erfinden.
In dieser Zusammenfassung erfährst Du, wie Wertschöpfung entsteht. Du lernst, wie sich ein statischer (gleichbleibender) von einem dynamischen (sich verändernden) Wirtschaftskreislauf unterscheidet, welche Rolle unternehmerische Innovationen dabei spielen und wie Wachstum entsteht.
1: Wie entsteht Wertschöpfung?
Du stehst zusammen mit Deinen Freundinnen in der Warteschlange, um wie jeden Mittwoch in Eurer Lieblingsbäckerei Schoggi-Gipfeli zu kaufen. Das Gipfeli kostet 2.40 Franken. Für das Schoggi-Gipfeli kauft der Bäcker Vorleistungen ein. Das sind die Zutaten, von Butter über Mehl bis zur Schokolade, aber auch der Strom für den Backofen und ein kleiner Beitrag an die Ladenausstattung. Insgesamt wendet der Bäcker dafür 1.50 Franken auf. Du, Deine Freundinnen und viele andere Kunden sind bereit, 2.40 Franken zu bezahlen. Offenbar ist Euch das Schoggi-Gipfeli das wert. Es ist somit mehr wert als die Vorleistungen, die Ihr Euch stattdessen hättet kaufen können. Der Bäcker hat mit seinen Mitarbeitenden einen Mehrwert gegenüber den Vorleistungen bzw. Vorprodukten geschaffen, indem er daraus etwas Neues kreiert hat. Diesen Mehrwert nennt man Wertschöpfung.
Die Wertschöpfung pro Gipfeli (0.90 Franken) kommt dem Bäcker und seinen Mitarbeitenden als Einkommen zugute. Einerseits werden der Bäcker und seine Mitarbeitenden daraus für ihre Arbeit entlohnt. Anderseits hat der Bäcker auch Geld in den Ofen und die Ladenausrüstung investiert. Er ist ein Risiko eingegangen, weil er als Unternehmer hätte scheitern können. Und er hat Kapital bereitgestellt, das er anderweitig hätte verwenden können. Er hätte das Kapital verkonsumieren oder in ein anderes Unternehmen investieren können.
Für das Risiko, den Verzicht auf andere Möglichkeiten und die Investition in die Bäckerei erhält der Bäcker zusätzlich zum Lohn einen eigenen Anteil an der Wertschöpfung als Kapitaleinkunft.
2: Wie entsteht Wachstum?
Gestatten, hinter Dir in der Warteschlange steht Herr Schumpeter (Joseph Alois Schumpeter, 1883-1950, österreichischer Ökonom). Herr Schumpeter hat sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, wie Wirtschaftswachstum entsteht.
Herr Schumpeter unterscheidet zwischen einem gleichbleibenden (statischen) und einem sich verändernden (dynamischen) Wirtschaftsleben.
Das statische Wirtschaftsleben ist ein gleichförmiger Kreislauf, in dem sich jahrein, jahraus alles in gleichen Bahnen bewegt. Der Bäcker trägt sein Einkommen zum immergleichen Fleischer und entlohnt ihn für dessen Wertschöpfung. Der Fleischer gibt sein Einkommen beim Frisör und bei der Gastwirtin aus. Weil auch die beiden eine Wertschätzung für Brot haben, schliesst sich der Wirtschaftskreis in der Bäckerei − Dort kaufen sie wiederum reichlich ihre Gipfeli.
Dynamik entsteht nach Herrn Schumpeter durch unternehmerische Innovation. Dabei kann es sich um eine Produkterneuerung handeln wie ein Schoggi-Gipfeli mit Streusel und Caramel-Überzug. Es kann sich die Produktionsart ändern, indem etwa eine neue und grössere Teigknetmaschine angeschafft wird. Rohstoffe und Vorprodukte aus neuen Quellen können eingesetzt werden, wenn beispielsweise das Mehl neu von einer nahegelegenen Mühle stammt.
Innovationen führen dazu, dass entweder die Kosten der Vorleistungen sinken oder die Wertschätzung der Kunden und Kundinnen und der Verkaufserlös steigen. Damit steigt die Wertschöpfung. Das bedeutet: Die Wirtschaft wächst. Und das wiederum bedeutet: Der Wohlstand steigt.
3: Unternehmertum und schöpferische Zerstörung
Nach Joseph Schumpeter ist es nicht nur die Aussicht auf Reichtum, sondern auch die Freude am Gestalten, die die Unternehmer und Unternehmerinnen antreibt. Auf Herrn Schumpeter geht auch der Begriff der «schöpferischen Zerstörung» zurück. Damit ist gemeint, dass mit jeder Neuheit (Innovation) bisherige Strukturen wie Herstellungsarten, bestehende Produkte oder ehemalige Rohstoffquellen durch neue ersetzt werden.
Alles Neue, das entsteht, entwertet das Bestehende, weil nun niemand mehr das Alte will. Doch nur dadurch ist wirtschaftliche Entwicklung – ökonomischer Fortschritt – möglich.
Gäbe es keinen wirtschaftlichen Fortschritt, würden wir womöglich immer noch in Höhlen wohnen. Stattdessen leben wir heute in wohlhabenden Gesellschaften mit feinen Gipfeli und coolen Smartphones.
Literatur
Fritz Söllner: Die Geschichte des ökonomischen Denkens, Berlin/Heidelberg 2021.
Gregory Mankiw: Makroökonomik, Stuttgart 2011.
Joseph Alois Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin 1911/2006.
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Dauer:
Teil 1
Wertschöpfung und Wachstum
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie entsteht Wertschöpfung, einfach erklärt?
Du, Deine Freundinnen und viele andere Kunden sind bereit, 2.40 Franken für ein Schoggi-Gipfeli zu bezahlen. Offenbar ist Euch das Schoggi-Gipfeli das wert. Es ist somit mehr wert als die Vorleistungen, die ihr Euch stattdessen hättet kaufen können. Der Bäcker hat mit seinen Mitarbeitenden einen Mehrwert gegenüber den Vorleistungen bzw. Vorprodukten geschaffen, indem er daraus etwas Neues kreiert hat. Diesen Mehrwert nennt man Wertschöpfung.
Wie entsteht Wirtschaftswachstum, einfach erklärt?
Wenn die Wertschöpfung steigt, wächst die Wirtschaft. Wertschöpfung entsteht, wenn die Kosten der Vorleistungen sinken oder die Wertschätzung der Kunden und Kundinnen und der Verkaufserlös steigen.
Was bedeutet schöpferische Zerstörung?
Damit ist gemeint, dass mit jeder Neuheit (Innovation) bisherige Strukturen wie Herstellungsarten, bestehende Produkte oder ehemalige Rohstoffquellen durch neue ersetzt werden.