Die Schweiz in Europa: Ihr Verhältnis zu EWR und EG/EU
Das Wichtigste in Kürze
Nachdem die Schweiz Europa und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) nicht beitreten wollte, gründete sie die Europäische Freihandelszone (EFTA), die aber nicht mit der Europäischen Gemeinschaft (EG) mithalten konnte. Die Schweiz überlegte, dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beizutreten, das Volk entschied sich aber letztlich dagegen. Die EU und die Schweiz beschritten einen bilateralen Weg, um die Schweizer Wirtschaft auf dem gleichen Stand halten zu können. Als es dabei zu Problemen kam, wurde ein Rahmenabkommen zur Regelung der Zusammenarbeit geschlossen.
Was war der Unterschied zwischen der EWG, EWR und der EFTA?
Was hinderte die Schweiz am Beitritt zur EWG?
Welche Punkte führten jeweils die Befürworter*innen und die Gegner*innen bei der Abstimmung zum Beitritt zum EWR an?
Diese Zusammenfassung liefert Dir die Antworten auf diese und noch viele weitere spannende Fragen!
Info 1: Die Schweiz lehnt Europa ab
1946 unterbreitete Winston Churchill in Zürich den Vorschlag, die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu gründen. Die Schweiz wollte aber weiterhin nicht wirklich in Europa integriert werden. Ihre Gründe dafür waren:
Angst vor dem Verlust der Neutralität
Vorbehalte gegenüber den völkerrechtlichen Vollmachten der Richter*innen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg
Doch wie stand die Schweiz zur 1957 ins Leben gerufenen EWG?
Zunächst wollte die Schweiz ihr auf gar keinen Fall beitreten, sie hatte Probleme mit:
der einheitlichen Aussenwirtschaftspolitik
der Agrarpolitik
dem Fernziel eines europäischen Bundesstaates
Deshalb setzte sie sich 1960 dafür ein, dass die EFTA gegründet wurde. Diese war weniger anspruchsvoll bzw. ehrgeizig. Zu ihr gehörten anfangs neben der Schweiz auch Österreich, Schweden, Dänemark, Norwegen, Grossbritannien und Portugal. Unter ihren Mitgliedern gab es keine Handelsbeschränkungen mehr und sie konnten sich in der Wirtschaftspolitik gegenüber Drittstaaten uneingeschränkt austoben.
In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde die EG, in die die EWG umbenannt wurde, immer reizvoller und bedeutsamer.
Info 2: Abstimmung über EWR-Beitritt
Ab 1985 sollten bis 1992 alle noch existierenden Handels- und Verkehrsbeschränkungen unter allen EG-Mitgliedern aufgehoben werden – ein europäischer Binnenmarkt sollte entstehen. 1991/92 fiel dann auch der Beschluss, eine gemeinsame europäische Währung einzuführen.
Die Staaten, die noch der EFTA angehörten, mussten sich jetzt überlegen, wie sie es schafften, nicht von der immer mächtiger werdenden EG isoliert zu werden. 1992 erreichten sie, dass in Kooperation mit der EG ein Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) errichtet wurde, bei dem die kontroverse Währungs- und Landwirtschaftspolitik keine Rolle spielen sollte.
Die EFTA-Staaten mussten im Falle eines Beitritts zum EWR das bis dahin erarbeitete EG-Recht anerkennen und übernehmen. Auch konnten ausschliesslich die EG-Instanzen neue Rechte einführen. Die EFTA-Staaten hatten aber ein Vetorecht.
1992 kam es zur Unterzeichnung des Abkommens. In der Schweiz kam es daraufhin zu einem hitzigen Abstimmungskampf:
Punkte der Befürworter*innen des EWR-Beitritts: wirtschaftliche Vorteile und Isolationsgefahr
Punkte der Gegner*innen des EWR-Beitritts: Sorge, dass der freie Personenverkehr zu einer Masseneinwanderung führt und die Unabhängigkeit und Souveränität verloren geht
Zudem verunsicherte der Bundesrat die Bevölkerung, indem er sich ein paar Monate vor der Abstimmung auch um einen EG-Beitritt bemühte.
Die Volksabstimmung führte Ende 1992 ganz knapp zur Ablehnung des EWR-Vertrags. Die Deutschschweiz war ganz klar dagegen, die französische Schweiz deutlich dafür.
Alle anderen angefragten Staaten traten erst dem EWR und später auch komplett der Europäischen Union (EU, ehemals EG genannt) bei. Dadurch war die Schweiz die neutrale Mitte einer Rechts- und Wirtschaftsgemeinschaft, zu der 400 Millionen Menschen gehörten. Die Bedeutung der Gemeinschaft war noch deutlicher geworden, da auch osteuropäische Staaten sich ihr anschlossen.
Info 3: Bilaterale Verhandlungen und Abkommen
Durch die Beitrittsablehnung konnte die Schweiz auch nicht an grundlegenden Prozessen der europäischen Entwicklung teilhaben. Deshalb leitete der Bundesrat wichtige Verhandlungen mit der EU ein, die verschiedene Bereiche betrafen.
Dadurch, dass die Schweiz kein Teil des europäischen Binnenmarkts war, kamen wirtschaftliche Nachteile auf sie zu. Diese versuchte sie durch die Verhandlungen so gut wie möglich auszugleichen.
Im Jahr 2000 segnete das Volk die ausgearbeiteten Verträge mit der EU ab. Darin ging es um sieben Bereiche, darunter die Landwirtschaft, die Personenfreizügigkeit und die Förderung gemeinsamer Forschungsprojekte.
Seit 2006 stellt der EU-Beitritt offiziell nur noch eine „Option“ dar. Er ist somit kein langfristiges Ziel des Bundesrats mehr, dessen 1992 gestellte Beitrittsanfrage übrigens von der EWR abgelehnt wurde. Danach stand der bilaterale Weg im Fokus und das Beitrittsgesuch verlief im Sande.
Der bilaterale Weg hat aber auch seine Schwierigkeiten. 2007 waren die EU und die Schweiz sich in zwei Sachen uneinig:
Die EU wollte das Bankgeheimnis abschaffen, um Steuerhinterziehung leichter aufdecken zu können.
Die EU wollte die Steuervorteile aufgeben, damit Grossunternehmen im EU-Raum angesiedelt bleiben und nicht in die Schweiz umziehen.
Seit der Beitrittsablehnung zum EWR und bis ins Jahr 2014 entschied sich das Stimmvolk bei Abstimmungen zu EU-Angelegenheiten immer für dafür, was der Bundesrat vorher empfahl.
Bei der „Volksinitiative zur Masseneinwanderung“ 2014 war es erstmals der Fall, dass die Schweizer*innen vom bilateralen Weg mit der EU abdrifteten. Die Personenfreizügigkeit, die in den Verträgen des bilateralen Weges zwischen den zwei Parteien zuvor festgehalten wurde, wurde durch das Abstimmungsergebnis aufgelöst. Das Volk stimmte nämlich gegen die Masseneinwanderung.
Der Bundesrat und die EU schlossen daraufhin ein Rahmenabkommen zur Regelung der Zusammenarbeit ab. Bei dem sollte darauf geachtet werden, dass das Europäische Recht nicht über das Schweizer Recht gestellt wird und die flankierenden Massnahmen sowie der Schweizer Lohnschutz bestehen bleiben.
Mehr dazu
Lerne mit Grundlagen
Lerne in kleinen Schritten mit Theorieeinheiten und wende das Gelernte mit Übungssets an!
Dauer:
Teil 1
Europäische Integration nach dem Zweiten Weltkrieg: Die EU
Abkürzung
Erziele 80% um direkt zum letzten Teil zu springen.
Optional
Teil 2
Die Schweiz in Europa: Ihr Verhältnis zu EWR und EG/EU
Finaler Test
Test aller vorherigen Teile, um einen Belohnungsplaneten zu erhalten.
Erstelle ein kostenloses Konto, um mit den Übungen zu beginnen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Warum wollte die Schweiz nicht zu Europa gehören?
Sie hatte Angst vor dem Verlust der Neutralität. Ebenso hatte sie Vorbehalte gegenüber den völkerrechtlichen Vollmachten der Richter*innen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.
Was ist der Unterschied zwischen der EWG, der EFTA und dem EWR?
Die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) wurde später zur EG (Europäische Gemeinschaft) und noch später zur EU (Europäische Union).
Die EFTA (Europäische Freihandelszone) war sozusagen die Gegenmassnahme der Schweiz, da sie der EWG nicht beitreten wollte, aber auch Handelskooperationen in Europa brauchte.
Die EWR war der Versuch, eine europäische Kooperation mit der Schweiz zu ermöglichen, der jedoch fehlschlug. Ihr traten jedoch alle EFTA-Staaten bei, wodurch die Schweiz die einzige Ausnahme war, die nicht zur Rechts- und Wirtschaftsgemeinschaft in Europa gehörte.
Warum trat die Schweiz damals nicht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bei?
Für sie war die einheitliche Aussenwirtschaftspolitik, die Agrarpolitik und das Fernziel eines europäischen Bundesstaates des EWR problematisch.