Neue Geschlechterrollen und Emanzipationsbewegungen
Das Wichtigste in Kürze
Ab dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute änderte sich so einiges, so auch die Geschlechterrollen und Familienstrukturen. Neben der traditionellen Familienform gibt es heute noch viele weitere. Die Kinderzahl nahm ab, die Lebenserwartung stieg und die Familienphase wurde dadurch kürzer. Frauen und Männer vereinten Beruf und Haushalt. Ab Ende der 1950er Jahren wurde Stück für Stück in der gesamten Schweiz das Frauenstimmrecht eingeführt und ab 1971 übernahmen Frauen politische Ämter.
In dieser Zusammenfassung findest Du Antworten auch viele spannenden Fragen, wie zum Beispiel:
Was war das Konkubinatsverbot?
Welche Kantone führten zuerst das Frauenstimmrecht ein?
Warum waren die Emanzipationsbewegungen der 1960er und 1970er Jahre so erfolgreich?
Info 1: Veränderte Familienstrukturen und -beziehungen
Nachdem der Zweite Weltkrieg überstanden war, etablierten sich in der Schweiz immer mehr neue Familienstrukturen. Viele Schweizer*innen leben heutzutage nicht mehr in einer traditionellen Familie. Egal ob alleinerziehend, Patchwork-Familie oder alleinstehend, all das ist heute so weit verbreitet wie noch nie zuvor.
Doch dass neue Lebensformen so selbstverständlich von der Gesellschaft angenommen werden, war in den 1960ern noch ausgeschlossen. Ein gemeinsamer Haushalt ohne verheiratet zu sein war damals sogar aus moralischen Gründen in einigen Kantonen noch gesetzlich verboten. Dieses Konkubinatsverbot wurde erst im Laufe der 1970er Jahre grösstenteils abgeschafft, nur im Kanton Wallis war es erst 1995 so weit.
Die Bedeutung der Eltern-Kind-Familie nahm deshalb aber nicht ab. Neben den Familienstrukturen änderten sich auch die Beziehungen innerhalb der Familien zwischen den Familienmitgliedern. Die Kinderzahl nahm stark ab, der Trend ging hin zu ein oder höchstens zwei Kindern pro Familie. Das und die gestiegene Lebenserwartung führten im kompletten westlichen Kulturkreis zu einer kürzeren Familienphase im individuellen Lebenslauf. Das wirkte sich insbesondere auf die weibliche Bevölkerung aus, da es damit umso wichtiger wurde, dass das Berufsleben nicht zu sehr von der Familienphase beeinträchtigt wird.
Info 2: Erste Schritte in Richtung Emanzipation und erster nationaler Frauenstreik
Die im 19. Jahrhundert festgelegte Aufgabenteilung, bei der der Mann arbeiten ging und die Frau sich zuhause um Haushalt und Kinder kümmerte, bewirkte Folgendes:
starke Einschränkung der beruflichen Möglichkeiten der Frauen
Familienvater als einziger Geldverdiener und somit als Familienoberhaupt
Die ersten Forderungen nach besseren Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten kamen im späten 19. Jahrhundert zunächst von einzelnen bürgerlichen Frauen. Doch erst die Emanzipationsbewegungen in den 1960ern und 1970ern schafften den Durchbruch, da durch den wirtschaftlichen Aufstieg auch der Bedarf an ausgebildeten Arbeitskräften stieg. Da konnte das Geschlecht gar keine Rolle mehr spielen!
Die Arbeit im Haushalt wurde durch technische Fortschritte erleichtert, so waren Beruf und Haushalt auch leichter miteinander vereinbar. Dennoch wurden Frauen in der Gesellschaft weiterhin ungleich behandelt, was 1991 einen nationalen Frauenstreik auslöste.
Info 3: Die schrittweise Einführung des Frauenstimmrechts
Die Ergebnisse der Konsultativabstimmungen in Genf (1952) und in Basel-Stadt (1954) zeigten deutlich, dass die Meinung, die Frauen würden das Stimmrecht gar nicht wollen, falsch war.
Definition Konsultativabstimmung:
Eine Abstimmung resp. Befragung, die keinen rechtlich bindenden Charakter hat. Es geht darum, abzuklären, ob ein Vorhaben weiterverfolgt werden soll oder nicht.
Trotzdem gab es zwischen 1946 und 1957 in acht Kantonen weitere Abstimmungen, die zur erneuten Verwerfung der politischen Gleichberechtigung führten. Auch die Einführung des Frauenstimmrechts in fast allen anderen Europastaaten kümmerte die Schweiz wenig.
Daraufhin unterbreitete aber 1957 der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft über die Einführung des Frauenstimmrechts. Obwohl beide Räte zustimmten, verhinderte die Ablehnung der Schweizer Männer 1959 mit einer Zweidrittelmehrheit die allgemeine Einführung. Immerhin wurde es aber kantonal in drei Westschweizer Kantonen – in Genf, Waadt und Neuenburg – eingeführt.
Der Fortschritt in diesen drei Kantonen und die jugendliche Protestbewegung von jungen Frauen Ende der 1960er führten dann zur Einführung des Frauenstimmrechts in mehreren Deutschschweizer Kantonen.
Das liess das Parlament dann doch aufhorchen und in Zusammenarbeit mit dem Bundesrat wurde eine neue Frauenstimmrechtsvorlage erarbeitet, die sich 1971 mit einer Zweidrittelmehrheit durchsetzte. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau kam so schliesslich in allen Kantonen an, ausser in Appenzell-Innerrhoden. Dort war ein Bundesgerichtsentscheid nötig, der den Kanton 1990 zur Einführung des Frauenstimmrechts zwang.
Info 4: Frauen in politischen Ämtern
Die Frage war nun, ob Frauen auch in politische Ämter gewählt werden würden. 1971 schafften es zehn Frauen in den Nationalrat (5 Prozent) und eine Frau in den Ständerat (2 Prozent).
Die Wahlen für den Bundesrat waren eine grössere und langwierigere Hürde:
1983: Scheitern der Kandidatur einer Sozialdemokratin
1984: erfolgreiche Wahl von Elisabeth Kopp, die dann aber wegen der Warnung ihres Mannes vor einer für ihn relevanten Strafuntersuchung gegen eine Firma 1989 zurücktreten musste
1993: erneut freier Platz bei den Sozialdemokraten im Bundesrat: Obwohl die Sozialdemokraten dafür Christiane Brunner vorschlugen, entschied sich die Vereinigte Bundesversammlung für einen Mann, der nicht einmal kandidiert hatte. Dieser lehnte aber wegen des starken parteiinternen und äusseren Drucks ab, woraufhin Ruth Dreifuss und nicht Christiane Brunner in den Bundesrat gewählt wurde. Doch zumindest eine Frau.
1999: Ruth Metzler (CVP) als zweite Frau im Bundesrat
2010: erste kurzfristige Mehrheit an Frauen im Bundesrat
bis heute: unausgeglichenes Geschlechterverhältnis im Parlament, aber: 2019 bislang höchster Frauenanteil (39 Prozent) in der Vereinigten Bundesversammlung
Die Ergebnisse der Wahlen von 2019 lassen sich auf den zweiten Frauenstreik im Sommer 2019 in der gesamten Schweiz zurückführen. 150.000 Menschen nahmen daran teil.
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Dauer:
Teil 1
Verlauf und Folgen der Industrialisierung in der Schweiz
Teil 2
Die Soziale Frage: Probleme der neuen Arbeiterklasse
Teil 3
Emanzipationsbewegungen: Gewerkschaften und Streiks gegen Unrecht
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Teil 4
Neue Geschlechterrollen und Emanzipationsbewegungen
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie veränderten sich die Geschlechterrollen nach dem Zweiten Weltkrieg?
Die Frauen waren nicht mehr nur für Haushalt und Kinder verantwortlich, sondern es wurde immer wichtiger, dass diese Aufgaben mit dem Beruf vereinbar waren.
Die Männer waren nicht mehr die alleinigen Geldverdiener und somit nicht mehr alleinig Familienoberhäupter.
Wann wurde das Frauenstimmrecht in der Schweiz eingeführt?
Ab Ende der 1950er Jahre wurde es in drei Kantonen eingeführt, Ende der 1960er dann in mehreren Deutschschweizer Kantonen. 1971 setzte sich das Frauenstimmrecht dann in allen Kantonen durch, außer in Appenzell-Innerrhoden (wurde erst 1990 dazu gezwungen).
Was war ein wichtiger Fortschritt in Bezug auf neue Familienstrukturen?
Die Aufhebung des Konkubinatsverbot im Laufe der 1970er Jahre, das eine gemeinsame Haushaltsführung ohne verheiratet zu sein, verbot.