Völkermorde und Massengewalt: Die Herero/Nama und Armenier*innen
Das Wichtigste in Kürze
Seit Anbeginn der Menschheit leben wir Menschen in Gruppen zusammen und verteidigen unsere Gebiete gegen andere Gruppen. So erstaunt es nicht, dass es in der Geschichte immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen gewissen Völkern kam. Doch neben Kriegen gibt es noch eine Form von Gewalt gegen bestimmte Menschengruppen, das sich vor allem im 20. Jahrhundert häufte. Die Rede ist von Genozid oder Völkermord.
Doch was bedeutet der Begriff?
Was hat die Kolonialisierung damit zu tun?
Welche Beispiele gibt es?
Diese und andere Fragen zum Thema Völkermord wirst Du nach dieser Lektion beantworten können.
Info 1: Was ist ein Völkermord?
Definition Völkermord
Völkermorde sind Verbrechen an nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Bevölkerungsgruppen, mit dem Ziel, diese ganz oder teilweise zu vernichten.
Auch wenn die Begriffe Genozid oder Völkermord heute von den Meisten wohl mit dem Holocaust, also den Verbrechen der Nazis an der jüdischen Bevölkerung, verbunden werden, gibt es das Phänomen schon sehr viel länger. Historiker sagen sogar, dass Völkermorde in allen besiedelten Gebiete, in jeder Epoche, in verschiedenen Grössenordnungen vorkamen. Viele Völkermorde der Neuzeit fanden in den kolonialisierten Gebieten Afrikas, Asiens, Australiens und Amerikas statt.
Info 2: Zwei Beispiele von Völkermord in der Neuzeit
Beispiel 1: Völkermord an den Herero und Nama
Als deutsche Geschäftsleute ab 1883 im heutigen Namibia mit den dort ansässigen Stämmen der Herero und Nama Verträgeschlossen, war das der Auftakt zur Kolonialisierung des Landes durch Deutsche. Südwestafrika, wie die Region benannt wurde, wurde offiziell zur deutschen Kolonie. Die deutschen Siedler*innen besetzen das Land und vertrieben die Einheimischen. Ausserdem liessen sie sie auf ihren Farmen arbeiten – unter schrecklichen Bedingungen.
Das Ziel der deutschen Kolonialgesellschaft war es, einen Rassenstaat zu errichten, wobei die afrikanische Arbeiterschicht den deutschen Kolonialherren dienen sollte. Schliesslich kam es zum Aufstand, da die Herero die Ausbeutung und grausamen Strafen nicht mehr hinnehmen wollten. Zudem sahen sie sich in ihrer Existenz bedroht, da ihr Weideland knapp wurde und schon ein grosser Anteil ihrer Rinderherden der Rinderpest zum Opfer gefallen war.
Die Herero griffen 1904 deutsche Siedler*innen und Kolonialtruppen an. Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Aufstände drängten diese die Stämme in die wasserlose Wüste, wo viele von ihnen den Tod fanden. Es gab einen offiziellen Vernichtungsbefehl, der dazu aufrief, jede/n Herero zu erschiessen oder in Zwangsarbeit zu nehmen.
Die Nama, die zuerst mit den Kolonialtruppen gegen die Herero gekämpft hatten, waren schockiert vom Vorgehen der Besatzungstruppen und sie erhoben sich ebenfalls gegen diese. Auch dieser Widerstand wurde blutig niedergeschlagen. Während auf der Seiten der Kolonialherren etwa 1.500 Soldaten starben, mussten die Einheimischen einen weit höheren Verlust in Kauf nehmen. Heute geht man davon aus, dass in den Jahren zwischen 1904 und 1908 zwischen 60.000 und 80.000 Herero und 10.000 Nama ihr Leben verloren. Das waren mehr als die Hälfte der gesamten Bevölkerung der beiden Stämme! Die Überlebenden wurden in Konzentrationslager gebracht oder zu Strafarbeit verurteilt. Die furchtbaren Bedingungen dort kosteten nochmals vielen das Leben.
Vertiefung
Aufarbeitung in Namibia und in Deutschland
Noch heute gedenken die Nachfahren der überlebenden Herero und Nama jedes Jahr den schrecklichen Völkermorden an ihren Vorfahren. Heute steht aber die Versöhnung im Vordergrund. Trotzdem findet man heute in Namibia noch viele Statuen, Denkmäler oder Friedhöfe, die an die Zeit erinnern. In Deutschland geschieht die Aufarbeitung der dunklen Seiten der Kolonialgeschichte nur zu einem sehr begrenzten Ausmass. Erst 2016 wurde vonseiten der deutschen Regierung erstmals von Völkermord gesprochen. Zuvor hatte man den Begriff aus Angst vor Wiedergutmachungszahlungen vermieden.
Beispiel 2: Der Völkermord an den Armeniern
Während dem Ersten Weltkrieg war der Nationalismus gross im Osmanischen Reich. Die jungtürkische Regierung wollte eine homogene Bevölkerung, die nur aus Türk*innen bestand. Nach den Griech*innen war das Volk der Armenier*innen die zweitgrösste Minderheit im Osmanischen Reich. Diese verfolgten schon länger Unabhängigkeitsbestrebungen. Aus diesem Grunde gab es immer wieder gewaltsame Übergriffe und Massaker an der christlichen Bevölkerungsgruppe.
Trotz Versicherungen, die Situation der Minderheit würde verbessert werden, radikalisierte sich der Staat mit dem Kriegseintritt. Als einige Armenier*innen im Krieg im Kaukasus den russischen Feind unterstützen, nahm man dies zum Anlass, von einem grossen Sabotageplan zu sprechen. Und das, obwohl die Mehrheit der Armenier*innen loyal gegenüber dem Osmanischen Reich war. So wurden viele armenische Soldaten erschossen und in frontnahen Gebieten wurde die armenische Bevölkerung vertrieben.
Diese Taten hatten zur Folge, dass die Armenier*innen 1915 einen Aufstand anzettelten. Der wurde von der Regierung als Anlass genommen, die armenische Bevölkerung in Deportationslagern zu ermorden oder auf lange Todesmärsche in die Wüste zu schicken. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu eine Million Menschen ihr Leben bei diesem Völkermord verloren haben.
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Dauer:
Teil 1
Völkermorde und Massengewalt: Die Herero/Nama und Armenier*innen
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Genozid?
Ein Völkermord, auch Genozid genannt, ist gekennzeichnet durch die Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören.
Hat Deutschland im südlichen Afrika einen Völkermord begangen?
Der Kolonialkrieg zwischen deutschen Truppen und den Herero und Nama im Gebiet des heutigen Namibia wird seit 2016 auch von der deutschen Regierung als Völkermord anerkannt.
Wieso ermordete die jungtürkische Regierung 1915 die Mehrheit der im Osmanischen Reich lebenden Armenier*innen?
Sie unterstellten ihnen, dass sie mit den russischen Feinden zusammenarbeiteten – eine reine Ausrede. Denn eigentlich wollte die jungtürkische Regierung einen reinrassigen Staat aus türkischen Bürger*innen errichten.