Wirtschaftspolitik: Anbauschlacht und Wirtschaftsabkommen mit Deutschland
Das Wichtigste in Kürze
Die neutrale Schweiz hatte es im Zweiten Weltkrieg wegen ihrer Abhängigkeit von ausländischen Importen auch nicht ganz einfach. Zur schweizerischen Wirtschaft ab 1939 gehörte die Nahrungsmittelrationierung, aber auch einige versorgungstechnische und finanzielle Entlastungsangebote für die schweizerische Bevölkerung. Die Anbauschlacht begann, da die Schweiz autark und unabhängig von Importen werden wollte.
Zur Erfüllung der außenpolitischen Ziele und der Aufrechterhaltung des Handels war ein Wirtschaftsabkommen mit Deutschland notwendig. Schweizer Firmen in Deutschland mussten sich mit der wachsenden Macht des Nationalsozialismus in Deutschland nach und nach seiner Ideologie anpassen.
Was war die „Anbauschlacht“ bzw. der „Plan Wahlen“?
Welche aussenpolitischen Ziele hatte die Schweiz?
Wie kam es zum Wirtschaftsabkommen mit dem Deutschen Reich?
Die Antworten auf diese und noch viele weitere spannende Fragen findest Du in dieser Zusammenfassung.
Info 1: Die Wirtschaft während des Zweiten Weltkriegs
Die schweizerische Volkswirtschaft war gut auf den Zweiten Weltkrieg vorbereitet. Bereits ab 1939 wurden einige Grundnahrungsmittel rationiert, ab 1942 dann alle wichtigen Lebensmittel.
Es gab Rationierungsmarken, die die Mengen an Produkten beschränkten, die jede/r einkaufen durfte. Die Bedürfnisse der Menschen wurden dabei aber berücksichtigt! Dafür wurde die Bevölkerung in Kategorien eingeteilt: Kinder, Jugendliche, Schwangere, Normalverbraucher und Schwerarbeiter.
Die Zuteilungen passten sich der jeweiligen Versorgungssituation an, waren aber meist eher knapp bemessen. Die Preise der Produkte waren durch einen Preisstopp des Bundesrates bezahlbar. Für Menschen im Militärdienst und Selbstständige gab es ab 1940 eine neue Lohnersatzordnung. Damit wurden 80 bis 90 Prozent des ausfallenden Lohnes ausgeglichen.
Diese und weitere versorgungstechnische sowie finanzielle Entlastungen der Gesellschaft verhinderten soziale Spannungen während des Krieges. Die Bevölkerung sah sich als solidarische Schicksalsgemeinschaft an.
Info 2: Das Autarkieprogramm der Schweiz
Ab 1940 sollte die schweizerische Milchwirtschaft von einem arbeitsaufwändigeren Getreide- und Gemüseanbau abgelöst werden, um sich in der schwierigen aussenpolitischen Lage abzusichern. Die „Anbauschlacht“ begann.
Damit sollte die rohstoffarme und traditionell exportorientierte Schweiz unabhängig vom Import von Getreide und anderen Nahrungsmitteln werden. Dieser Plan stammte ursprünglich vom Landwirtschaftsspezialist Friedrich Traugott Wahlen, weswegen dieses Autarkieprogramm auch als „Plan Wahlen“ bezeichnet wurde.
Die Anbaufläche in der Schweiz vergrößerte sich bis Kriegsende auf 360.000 Hektar – mehr als doppelt so groß wie vorher! Die Arbeitsdienstpflicht wurde eingeführt, die alle Schweizer*innen zwischen 16 und 65 Jahren dazu verpflichtete, mit anzupacken. Somit war ein Großteil der Bevölkerung aktiv, was auch den Durchhaltewillen stärkte.
Obwohl sich der Getreide- und Kartoffelertrag zu Kriegszeiten verdoppelte, konnten die Importrückgänge damit nicht komplett ausgeglichen werden. Die Schweiz schaffte es nicht, vollständig autark zu werden, konnte sich aber zu 59 Prozent selbst versorgen. Rund 80 Prozent des Kalorienbedarfs der Schweizer*innen zu Kriegszeiten konnten durch die inländische Produktion abgedeckt werden.
Info 3: Die schweizerische Aussenpolitik und das Wirtschaftsabkommen mit Deutschland
Die Aussenhandelspolitik der Schweiz hatte folgende Ziele:
Überlebenssicherung der Bevölkerung
Erhaltung der Arbeitsplätze
Beibehaltung der Verteidigungsfähigkeit
Doch um das zu erreichen, war der Handel mit anderen Staaten unverzichtbar. Der Export sicherte Arbeitsplätze und der Import glich Ernährungs- und Produktionsengpässe aus. Dazu kam, dass die zwei Kriegsparteien des Zweiten Weltkriegs ihre jeweils eigene Kriegswirtschaft durch eine Zusammenarbeit mit der Schweiz bereichern wollten, ohne dass die jeweilige Gegenseite davon wusste.
1940 kam dann die deutsche Kohleblockade. Damit wurde die Schweiz erpresst, da sie die Kohle aus Deutschland brauchte, um ihre Ziele zu erreichen. Auch wenn die Schweiz immer vorgab, im Krieg neutral zu sein, lieferten sie Rüstungsgüter an die Alliierten. Weil die Schweiz auf diesen Handel mit Deutschland angewiesen war, kam es zu Wirtschaftsverhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz.
Die Schweiz hatte tatsächlich auch einiges zu bieten:
Modernität
durch Neutralität geschützter Industriestaat
stabile Währung
funktionierendes Bankensystem
gut ausgebaute Transportwege durch die Alpen
1940 wurden dann ein Wirtschaftsabkommen geschlossen: Die Schweiz bekam Kohle, Eisen, Mineralöl und weitere Rohstoffe. Dafür machte sich die deutsche Kriegswirtschaft einen Großteil der schweizerischen Waffen- und Elektromotorenindustrie zunutze. Auch Lebensmittel bekamen die Deutschen aus der Schweiz und die Transportwege durch die Alpen blieben für sie offen.
Die Schweiz baute eine kleine Handelsflotte auf. Denn auch der Handel mit den Alliierten blieb bestehen, was die Deutschen aber sogar gut fanden. Denn die Schweiz erhielt so die Güter, die die Deutschen ihnen nicht liefern konnte. Das waren größtenteils Rohstoffe und Nahrungsmittel von anderen Kontinenten. Damit blieb die Schweiz stabil und konnte Deutschland weiter unterstützen. Die Schweiz lieferte ab dem Wirtschaftsabkommen mit Deutschland aber kein Kriegsmaterial mehr an die Alliierten.
Info 4: Die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf Schweizer Firmen in Deutschland
Deutschland war seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bereits der wichtigste Handels- und Investitionsmarkt der Schweiz. Schweizer Firmen wollten ihre Geschäftsbeziehungen mit Deutschland ausbauen, indem sie Tochtergesellschaften gründeten. Da die Nationalsozialisten sich nicht am Privateigentum zu schaffen machten (außer am Privateigentum von Jüd*innen), hatten die Schweizer Firmen in Deutschland nichts weiter zu befürchten.
Dennoch waren sie und die Tochtergesellschaften in Deutschland immer mehr dazu gezwungen, sich der nationalsozialistischen Ideologie anzupassen. In manchen wurden während des Krieges dann sogar Zwangsarbeiter*innen beschäftigt und ausgebeutet. Schweizerische Zivilist*innen, die aus dem Osten nach Deutschland verschleppt wurden und nach der nationalsozialistischen Rassenideologie als minderwertig angesehen wurden, wurden ebenfalls als Zwangsarbeiter*innen eingesetzt und dabei menschenunwürdig behandelt.
Vertiefung
Zahlungsabwicklung und Goldhandel
Zwischen der Schweiz und Deutschland gab es keinen freien Zahlungsverkehr. (Aus-)Zahlungen durften nur über die beiden Zentralbanken, die Schweizerische Nationalbank und die Deutsche Reichsbank abgewickelt werden. Über sie liefen also alle Lieferungen und Einkäufe von Firmen. Die Schweiz lieferte wertmäßig um einiges mehr, als sie vom Deutschen Reich kaufte. Durch einen von der Schweiz gewährten Überziehungskredit war es möglich, dass das Deutsche Reich der Schweiz am Kriegsende ganze 1,19 Milliarden Mark schuldete.
Ab 1941 entstand ein Goldhandel zwischen der Deutschen Reichsbank und der Schweizerischen Nationalbank. Das Deutsche Reich lieferte der Schweiz Gold (das jedoch größtenteils aus Belgien und den Niederlanden stammte) und bekam dafür Franken, mit denen es bei Drittstaaten strategisch wichtige Güter, insbesondere seltene Rohstoffe, erwerben konnte.
Mehr dazu
Lerne mit Grundlagen
Lerne in kleinen Schritten mit Theorieeinheiten und wende das Gelernte mit Übungssets an!
Dauer:
Teil 1
Der Verlauf des 2. Weltkriegs: Blitzkriege, Ostexpansion, Kriegswende
Teil 2
Rolle der Schweiz im 2. Weltkrieg
Teil 3
Landesverteidigung und Kriegspolitik: Die Mobilmachung der Schweiz
Abkürzung
Erziele 80% um direkt zum letzten Teil zu springen.
Optional
Teil 4
Wirtschaftspolitik: Anbauschlacht und Wirtschaftsabkommen mit Deutschland
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was war der „Plan Wahlen“?
Der „Plan Wahlen“ wird auch als „Anbauschlacht“ bezeichnet. Der Getreide- und Gemüseanbau löste die Milchwirtschaft ab, da die Schweiz so bald wie möglich autark und unabhängig von ausländischen Importen werden wollte.
In welchem Verhältnis standen die Schweiz und Deutschland während des Zweiten Weltkriegs?
Die Schweiz war grundlegend neutral. Dennoch war sie abhängig von den Importen aus dem Deutschen Reich, aber auch aus den Gebieten der Alliierten. Damit sie weiterhin Kohle aus Deutschland bekam, schloss sie ein Wirtschaftsabkommen mit dem Deutschen Reich ab und unterstützte dessen Kriegswirtschaft.
Wie erging es schweizerischen Firmen und Zivilist*innen in Deutschland?
Schweizer Firmen und Tochtergesellschaften mussten sich mit der Zeit immer mehr an die nationalsozialistische Ideologie anpassen. Schweizerische Zivilist*innen, die nach der nationalsozialistischen Rassenideologie als minderwertig galten, mussten Zwangsarbeit verrichten.