Beteiligung und Widerstand der Bevölkerung im NS-Staat
Das Wichtigste in Kürze
„Wir wussten von nichts!“, war die Aussage vieler deutscher Bürger*innen nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch war das wirklich so? Nicht ganz. Viele von ihnen schlossen sich ganz freiwillig der NSDAP an oder arrangierten sich zumindest mit ihrer Führung und lebten nach ihrer Ideologie. Einige deutsche Bürger*innen wussten auch über den Völkermord an den Juden und Jüdinnen Bescheid. Noch viele mehr waren sich zumindest bewusst, dass die Juden verfolgt und deportiert wurden. Sich der NS-Führung zu widersetzen, war aber gefährlich. Dennoch gab es einige Proteste, Widerstandshandlungen und sogar Anschläge, die bekannt wurden.
Wer war direkt oder indirekt beteiligt am Völkermord?
Was wusste die deutsche Bevölkerung über die Pläne und Taten der Nationalsozialist*innen?
Wer traute sich, sich zur Wehr zu setzen und wie?
Auf all diese spannenden Fragen und auf noch viele mehr findest Du in dieser Zusammenfassung die Antworten.
Info 1: War die deutsche Bevölkerung wirklich machtlos?
Nach dem Zweiten Weltkrieg schob die deutsche Bevölkerung die alleinige Schuld für die NS-Verbrechen Adolf Hitler und seinen Helfer*innen zu. Die Deutschen wären von ihm „überrannt“ worden und wären machtlos gewesen. So ganz stimmt das aber nicht.
Die autoritäre Regierungsform überzeugte viele Bürger*innen, die nicht mehr hinter der Demokratie der Weimarer Zeit standen. Sie waren genervt von dem Hin und Her der politischen Diskussionen zu Demokratie-Zeiten. Sie fühlten sich vom Versailler Vertrag gedemütigt und erhofften sich von der NS-Machtübernahme:
dass Deutschland wieder stark wird,
einen beruflichen Aufstieg bei der Neubesetzung von Staats- und Parteiämtern,
Vorteile durch den Beitritt zur NSDAP (Beitrittsansturm Anfang 1933)
So unterstützten nicht nur die offensichtlichen NS-Anhänger*innen die NS-Führung, sondern auch viele andere, indem sie sie akzeptierten. Die deutschen Bürger*innen waren durchaus anpassungsbereit und nahmen eine sogenannte „Selbstgleichschaltung“ auch im wirtschaftlichen und privaten Leben vor.
Viele Firmen, Organisationen und Vereine richteten sich ganz freiwillig nach den ideologischen Vorgaben der Nationalsozialisten: Sie schlossen Juden aus oder überzeugten andere vom Eintritt in die Sturmabteilung (SA), den Kampftruppen der Nationalsozialisten.
Vertiefung
Wirtschaftliche Vorteile für die „Volksgemeinschaft“
Die NS-Ausgrenzungspolitik mit der Enteignung von Juden und Jüdinnen führte dazu, dass viele deutsche Bürger*innen an Geld oder Besitz gewannen. Sie konnten Wertgegenstände, Betriebe oder hochwertigen Hausrat der verfolgten Juden billigst erwerben. Kaum jemand lehnte sich dagegen auf.
Während es den Verfolgten und Ausgegrenzten immer schlechter erging, fühlten sich die Bürger*innen, die zur „Volksgemeinschaft“ gehörten, immer wohler. Aufgrund einer abnehmenden Arbeitslosenrate, Steuervergünstigungen und Ehestandsdarlehen waren viele Bürger*innen der „Volksgemeinschaft“ dankbar und zufrieden.
Info 2: Was wusste die „Volksgemeinschaft“ vom Völkermord und wer war beteiligt?
Anfang der 1940er-Jahre wussten hauptsächlich informierte Täter*innen vom Plan und von Unternehmungen, die Juden systematisch auszurotten.
Indirekt beteiligt waren aber zum Beispiel:
Lokführer und Bahnmitarbeiter*innen, die mit den Deportationszügen zu tun hatten
Verwaltungsbeamte, die die Deportationen dokumentierten
Ingenieure, die sich um den Bau der Vernichtungslager kümmerten
Unternehmer, die Krematorien-Öfen lieferten
Ab Herbst 1941 konnte die deutsche Bevölkerung die Deportationen der Juden und Jüdinnen öffentlich mit anschauen, denn deren Besitz wurde öffentlich versteigert. Heimkehrende Soldaten berichteten überall von Massenhinrichtungen. Und auch in der NS-Propaganda wurde öfters die Absicht deutlich gemacht, die „jüdische Rasse“ zu vernichten.
Auch wenn ausländische Nachrichtendienste verboten waren, hörten viele deutsche Bürger*innen ab und an rein, um über den Kriegsverlauf Bescheid zu wissen. Der Schriftsteller Thomas Mann, der in die USA geflohen war, sprach dort viel über die Kriegsverbrechen der Nationalsozialist*innen.
Die deutsche Bevölkerung hatte also durchaus die Möglichkeit, sich zu informieren, was auch einige erhaltene Tagebücher der Zeit bestätigten. Die Frage ist nur, ob sie das auch wollte.
Info 3: Widerstand gegen die NS-Regierung
Da Andersdenkende, Regimegegner und der NS-Ideologie widersprechende Aktivitäten hart bestraft wurden, war es gefährlich, Widerstand zu leisten. Ausserdem war der Grossteil der Bevölkerung auf der Seite der NS-Regierung. Deshalb wurden auch viele Nachbarn, Bekannte und Kollegen denunziert, das heisst verraten.
Definition denunzieren:
Anzeigeerstattung aus persönlichen, niedrigen Beweggründen (z. B. zum eigenen Vorteil)
Politik
Die wenigen Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen, die noch nicht verhaftet oder geflohen waren, widersetzten sich zum Anfang der NS-Diktatur. Sie riefen die Bevölkerung durch Flugblätter oder Ähnlichem zum Widerstand auf.
Kirche
Die Kirchen widersetzten sich kaum. Sie wollten ihre Glaubensfreiheit behalten und machten dafür auch Zugeständnisse an die Nationalsozialisten. Nur wenige Einzelpersonen protestierten.
Vertiefung
Beispiele für kirchliche Widerständler
Kardinal von Galen (katholischer Bischof von Münster) sprach sich gegen die Ermordung von Menschen mit Behinderung aus
Die Bewegung der Bekennenden Kirche war eine evangelische Kirchenbewegung, die anmerkte, dass die nationalsozialistischen Ideen nicht den christlichen Glaubensprinzipien entsprachen (u. a. Dietrich Bonhoeffer)
Militär
Erst als die Kriegsniederlage immer näher rückte, wurde das Militär skeptisch und militärische Widerstandsgruppen bildeten sich. Oberst Klaus Schenk Graf von Stauffenberg verübte am 20. Juli 1944 einen Bombenanschlag in Hitlers Hauptquartier. Teile des militärischen Widerstands wollten so die Macht an sich reissen und direkt Friedensverhandlungen führen. Hitler überlebte den Anschlag jedoch und liess etliche Regimekritiker verhaften und hinrichten.
Student*innen
Sehr bekannt wurde die „Weisse Rose“, eine Münchner NS-kritische Studentengruppe. Sie verteilten Flugblätter, in denen sie die verbrecherische Politik der NS-Führung kritisierten. Die Geschwister Hans und Sophie Scholl waren die bekanntesten Mitglieder der „Weissen Rose“. Die Gruppe wurde im Februar 1943 entdeckt und zwei Monate später bekamen ihre Mitglieder die Todesstrafe.
Jugend
Die Hamburger „Swing-Jugend“ widersetzte sich, indem sie verbotene Jazzmusik hörten und sich im englischen Stil kleideten. Einige von ihnen kamen in Konzentrationslager.
Die Kölner „Edelweisspiraten“ beteiligten sich an Schwarzhandel oder Einbrüchen.
Die „Leipziger Meuten“ wehrten sich gegen eine nationalsozialistische Lebensführung. Sie griffen Einrichtungen oder Regimefunktionäre an oder versteckten verfolgte Gleichgesinnte.
Vereinzelte Bürger*innen
Auch einzelne Bürger*innen lehnten sich auf: Der Schreiner Johann Georg Elser verübte 1939 einen Bombenanschlag auf Hitler und hochrangige NSDAP-Mitglieder. Auch dieser Anschlag schlug fehl, weil die Zielpersonen den Saal zu früh verliessen. Elser wurde ausfindig gemacht und in Konzentrationslagern untergebracht. 1945 wurde er in Dachau hingerichtet.
Mehr dazu
Lerne mit Grundlagen
Lerne in kleinen Schritten mit Theorieeinheiten und wende das Gelernte mit Übungssets an!
Dauer:
Teil 1
Jüdisches Leben und Antisemitismus in historischer Perspektive
Teil 2
Der Aufstieg des Nationalsozialismus: Die Machtübernahme von Hitler
Teil 3
Völkermord und Holocaust: Verlauf und Folgen
Teil 4
Die Ideologie des Nationalsozialismus: Alte und neue Ideen und Begriffe
Abkürzung
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Optional
Dies ist die Lektion, in der du dich gerade befindest, und das Ziel des Pfades.
Teil 5
Beteiligung und Widerstand der Bevölkerung im NS-Staat
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was war die „Weiße Rose“?
„Weiße Rose“ war eine Münchner Studentengruppe, die sich kritisch gegen das NS-Regime gestellt haben. Zu ihr gehörten unter anderem Hans und Sophie Scholl. Sie haben Flugblätter verteilt, in denen sie die verbrecherische Politik der NS-Führung kritisierten. Sie wurden entdeckt und bekamen die Todesstrafe.
Was passierte am 20. Juli 1944?
Am 20. Juli 1994 verübte Oberst Klaus Schenk Graf von Stauffenberg einen Bombenanschlag in Hitlers Hauptquartier. Hitler überlebte den Anschlag und ließ anschließend etliche Regimekritiker verhaften und hinrichten.
Was erhofften sich viele deutsche Bürger*innen von der Machtübernahme der Nationalsozialisten?
Sie hofften, dass die NS-Führung Deutschland wieder stark macht. Außerdem hofften sie auf einen beruflichen Aufstieg und Vorteile, wenn sie der NSDAP beitreten und Staats- und Parteiämtern übernehmen.