Staatsverschuldung – wenn der Schuldenberg wächst
Das Wichtigste in Kürze
Ob Schulhaus, Spital oder Fussballstadion, jede Staatsausgabe muss finanziert werden. Während Du die Steuern bereits kennst, lernst Du in dieser Lektion die zweite Möglichkeit zur Finanzierung der Staatsausgaben kennen: die Staatsverschuldung. Staatsverschuldung entsteht, wenn der Staat Kredite aufnimmt, um seine Ausgaben zu decken. Das Verlockende an Krediten ist, dass sie die Zahlungsverpflichtung in die Zukunft verschieben. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben, denn zukünftige Steuerzahler werden die Zahlungsverpflichtung tragen müssen. Grundsätzlich gilt: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.
In dieser Lektion erhältst Du einen umfassenden Überblick über die Entstehung und Folgen der Staatsverschuldung. Du lernst, wie sich Staaten verschulden können und wie das Ausmass der Verschuldung gemessen wird. Du lernst Umstände kennen, unter denen eine gewisse Staatsverschuldung sinnvoll sein kann. Ebenso erfährst Du, welche negativen Auswirkungen eine hohe Verschuldung auf die wirtschaftliche Stabilität eines Staates hat. Eine Schuldenkrise kann sich selbst verstärken, wenn der Staat zur Finanzierung der Zinszahlungen neue Schulden aufnehmen muss. Sie kann im Extremfall im Staatsbankrott enden.
Abschliessend lernst Du, wie der fiskalpolitische Balanceakt zwischen zu hohen und angemessenen Staatsschulden gemeistert werden kann. Eine Schuldenbremse fungiert hierbei als eine Fiskalregel, die den Umgang mit Defiziten festlegt. Sie soll sicherstellen, dass sich Staatsausgaben und -einnahmen die Waage halten, um die finanzielle Stabilität des Staates zu gewährleisten.
Schulden – aufgeschoben ist nicht gleich aufgehoben
- Jede Staatsausgabe muss finanziert werden, entweder durch Steuern oder durch die Aufnahme von Schulden auf dem Kapitalmarkt. Während die steuerliche Einnahmeseite bereits in Lektion 8 behandelt wurde, konzentriert sich diese Lektion auf die Staatsverschuldung.
- Die Staatsverschuldung umfasst alle Schulden eines Staates gegenüber Dritten.
- Stell Dir vor, der Staat möchte eine neue Autobahn bauen. Anstatt Steuern zu erhöhen oder in einem anderen Bereich zu sparen, kann er einen Kredit auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. Das Verlockende am Kredit ist, dass der Staat die Autobahn bauen kann, ohne sofort dafür aufkommen zu müssen. Langfristig ist jedoch die Rückzahlung des Kredits samt Zinsen erforderlich. Der Kredit verschiebt somit die Zahlungsverpflichtungen lediglich in die Zukunft, hebt sie jedoch nicht auf. Grundsätzlich gilt: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.
- Um das Ausmass der Verschuldung verschiedener Staaten zu vergleichen, wird die Verschuldungsquote verwendet. Diese misst das Verhältnis von Staatsschulden zur Wirtschaftsleistung, gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP). Eine höhere Staatsschuld im Verhältnis zum BIP führt zu einer höheren Verschuldungsquote.
- Im Staat A betragen die Staatsschulden 3 Milliarden Dollar bei einem BIP von 5 Milliarden Dollar. Daraus ergibt sich eine Verschuldungsquote von 0.6 oder 60%. Im Staat B betragen die Staatsschulden 4 Milliarden Dollar bei einem BIP von 8 Milliarden Dollar. Die Verschuldungsquote im Staat B beträgt also 0.5 oder 50%. Obwohl Staat B zwar absolut betrachtet höhere Schulden hat, gilt er aufgrund des höheren BIP und der tieferen Verschuldungsquote als weniger stark verschuldet als Staat A.
Verschuldungsquote=BruttoinlandproduktStaatsschulden
Gründe, eine gewisse Staatsverschuldung zuzulassen
- Während Schulden oft negativ assoziiert werden, gibt es doch Gründe, eine gewisse Staatsverschuldung zuzulassen.
- Finanzierung langfristiger Investitionen: Langfristige staatliche Investitionen wie Schulen oder Autobahnen kommen auch nachfolgenden Generationen zugute. Daher lässt sich argumentieren, dass zukünftige Steuerzahler die Kosten dieser Investitionen mittragen sollten. Beispiel: Das nigelnagelneue Fussballstadion in Martas Gemeinde wird über einen Kredit finanziert. Damit tragen in Zukunft Martas Kinder als Steuerzahler die Finanzierung des Fussballstadions. Problematisch ist jedoch, dass Martas Kinder nicht bei der Entscheidung über die Investition mitreden konnten und somit ungefragt die Kosten der älteren Generationen tragen müssen.
- Steuerglättung: Staatsausgaben entsprechen nicht immer den Staatseinnahmen. Ein Theaterbau kann weniger kosten als erwartet, während unerwartete Ereignisse wie Naturkatastrophen zusätzliche Ausgaben bedeuten können. Müsste das staatliche Budget jederzeit ausgeglichen sein, wären ständige Steueranpassungen bei jeder kleinsten Änderung der Staatsausgaben notwendig. Um den damit verbundenen bürokratischen Aufwand zu vermeiden, werden die Steuern «geglättet» und damit kurzfristige Überschüsse und Defizite in Kauf genommen.
- Makroökonomische Stabilisierung: Staatsausgaben können dazu beitragen, Konjunkturschwankungen abzumildern. In einer Rezession wird mit höheren Staatsausgaben eine gewisse Verschuldung zugelassen, um die wirtschaftliche Entwicklung zu stabilisieren. In wirtschaftlichen Aufschwungphasen sollte diese Verschuldung jedoch wieder abgebaut werden, damit Ausgaben und Einnahmen langfristig in Einklang stehen.
Die Tücken einer zu hohen Staatsverschuldung
- Eine gewisse kurzfristige Staatsverschuldung mag immer ihre Gründe haben, kann jedoch langfristig zu einem hohen staatlichen Schuldenberg führen. Dieser birgt zahlreiche Herausforderungen und Risiken für die wirtschaftliche Stabilität und das Wohlergehen eines Landes.
- So haben bei einer zu hohen Verschuldung kommende Generationen eine grosse Steuerlast zu tragen, um die angehäuften Schulden zu begleichen.
- Ebenso ist bei hoher Verschuldung aufgrund der hohen Zinszahlungen ein grosser Teil des staatlichen Budgets an Zahlungsverpflichtungen gebunden. Dies führt dazu, dass dem Staat weniger Geld für Ausgaben wie dem Bau von Schulhäusern oder Autobahnen übrigbleibt.
- So sind beispielsweise die USA gegenwärtig derart stark verschuldet, dass sie täglich mehr Geld für ihre Zinszahlungen aufwenden als für Bildung oder den Verkehr.
- Ein weiteres Problem der Verschuldung besteht darin, dass sie immer schwerer zu bändigen ist, je grösser sie wird.
- Eine hohe Staatsverschuldung kann selbstverstärkend wirken, wenn der Staat zur Finanzierung seiner Zinszahlungen weitere Schulden aufnehmen muss.
- Ab einer gewissen Verschuldung verlangen die Kreditgeber auf den Finanzmärkten einen Zinszuschlag aufgrund des Risikos, dass der Kreditnehmer seine Schulden nicht zurückzahlt (sogenanntes Ausfallrisiko). Der Zinszuschlag macht neue Schulden noch teurer.
- Dieser Teufelskreis findet sein jähes Ende, wenn der Staat keine neuen Kredite mehr erhält, da ihm die Kreditgeber schlicht nicht mehr vertrauen.
- Der Staat kann seine Schulden nicht mehr begleichen – er wird zahlungsunfähig. In Ländern wie Griechenland, Venezuela, Russland oder Argentinien wurde dieses düstere Szenario zur Realität – sie sahen sich mit einem Staatsbankrott konfrontiert. Du siehst: Langfristig kann sich eine hohe Verschuldung selbst verstärken, bis sie im Extremfall mit dem Staatsbankrott ausser Kontrolle gerät.
Wege zum Abbau und zur Beschränkung von Staatsschulden
- Wie kann ein Staat nun seinen Schuldenberg abbauen? Um aus der finanziellen Sackgasse zu entkommen, bleibt dem Staat, seine Schulden durch Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen abzubauen.
- Weil die Geschichte aber zeigt, dass Ausgabenkürzungen ebenso unbeliebt sind wie Steuererhöhungen, empfiehlt sich, gar nicht erst in die finanzielle Sackgasse einer hohen Staatsverschuldung zu geraten. Dabei können Fiskalregeln hilfreich sein.
- Eine bekannte Fiskalregel ist die Schuldenbremse. Sie lässt ein Staatsdefizit in wirtschaftlich schlechten Zeiten kurzfristig zu, um die Konjunktur zu stabilisieren. Diese Verschuldung muss in wirtschaftlich guten Zeiten mittels Staatsüberschüssen abgebaut werden. Die Staatsfinanzen bleiben somit über den ganzen Konjunkturzyklus ausgeglichen.
- Grundsätzlich existiert keine Zahl, die die magische Schwelle einer zu hohen Verschuldung kennzeichnet. Doch eine generelle Richtlinie hilft, den Balanceakt von Staatseinnahmen und -ausgaben zu meistern:
- Die Staatsausgaben sollten langfristig mit den Staatseinnahmen in Einklang stehen. Deshalb sollte ein Staat keine Ausgaben tätigen, die seine Einnahmen langfristig übersteigen, um ein «Leben auf Pump» zu verhindern.
- Du siehst: Ein Staat kann seine Ausgaben finanzieren, indem er Kredite aufnimmt und sich verschuldet. Eine kurzfristige Verschuldung kann durchaus begründet sein. Doch langfristig kann eine wachsende Staatsverschuldung selbstverstärkend wirken und bis zum Staatsbankrott führen. Um dieses Risiko zu vermeiden, können Fiskalregeln helfen, die Stabilität der Staatsfinanzen sicherzustellen.
Quellenverzeichnis:
- Brunetti, A. (2023). Volkswirtschaftslehre. Lehrmittel für die Sekundarstufe II und die Weiterbildung. 15. Auflage 2023. hep Verlag AG, Bern.
- Eisenhut, P. und Sturm, J.E. (2023). Aktuelle Volkswirtschaftslehre - Ausgabe 2022/2023. Somedia Production AG. Somedia Buchverlag, Ennenda 2022. Edition Rüegger.
Glossar:
- Ausfallrisiko: Risiko, dass der Kreditnehmer seine Schulden nicht zurückzahlt.
- Verschuldungsquote: Misst das Verhältnis von Staatsschulden zum Bruttoinlandprodukt (BIP).