Preismechanismus und Staat: Die Triebkräfte der Ökonomie

Das Wichtigste in Kürze

In dieser Lektion geht es um die unterschiedlichen Funktionen von Preisen. Preise sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Wenn du einen Blick in ein Schaufenster wirfst und dabei das Preisschild einer neuen Jeans entdeckst, steckt dahinter eine Fülle von Informationen. Der Preis informiert dich nicht nur über die Qualität des Produkts – aufwendig hergestellte, qualitativ hochwertige Jeans sind teurer als gewöhnliche Hosen. Er ermöglicht dir auch, die Jeans mit anderen Kaufoptionen wie beispielsweise einem Sneaker zu vergleichen. Darüber hinaus signalisiert er dir, wie viel es den Produzenten kostet, ein bestimmtes Gut herzustellen. Durch das Zusammentreffen von Tausenden von Käufern und Verkäufern bildet sich spontan der Preis für Jeans. Dabei passt er sich ständig an sich verändernde Gegebenheiten wie etwa Modepräferenzen oder Jahreszeiten an. Das Zusammenspiel unzähliger Preise auf zahlreichen Märkten ist das Fundament eines dezentralen Wirtschaftssystems.

Der Preismechanismus entfaltet seine Wirkung jedoch nur im Rahmen einer staatlich garantierten Rechtsordnung. Sonst könnte man die Jeans im Laden einfach stehlen und müsste sie nicht bezahlen.
Obwohl der Preismechanismus unseren privaten und beruflichen Alltag prägt, wirkt er nicht immer und überall. Tut er dies nicht, nennt man dies Marktversagen. Neben dem Spiel der Preise geht es in dieser Lektion auch um die verschiedenen Formen von Marktversagen, die Staatseingriffe in die Wirtschaft rechtfertigen. Das lässt sich am Beispiel von Umweltverschmutzung aufzeigen. Dabei siehst du, wie der Staat gegen die Umweltbelastung des Flugverkehrs mit einer Lenkungsabgabe vorgehen kann. Zum Schluss der Lektion geht es darum, dass der Staat auch nicht unfehlbar ist. Politiker wollen wiedergewählt werden und agieren nicht immer im besten Interesse der Allgemeinheit. Die Regierung benötigt Regeln, um ihre Rolle als unparteiischer Schiedsrichter des Wirtschaftssystems wirksam zu erfüllen.

Preise: Die unsichtbaren Dirigenten des Wohlstandsorchesters

• Der Preismechanismus ist ein entscheidendes Element in einer Marktwirtschaft und erfüllt die Aufgabe einer Koordination aller Wirtschaftsakteure ohne Koordinatoren. Preise entscheiden darüber, wie viel von einem Gut verkauft und gekauft wird. Die Preise steuern also die Güterzuteilung (Ressourcenallokation) in unserer Volkswirtschaft. Diese Güterzuteilung durch die Preise erfolgt dezentral durch die vielfältigen Entscheidungen von Konsumenten und Produzenten, ohne dass sie jemand befehlen würde. 
  
  
• Preise haben vier Funktionen: 
  • Erstens zeigen sie, wie knapp ein Gut ist. So kostet die Limited Edition der Nike-Sporttasche mehr als eine normale Sporttasche vom Discounter. 
  • Zweitens führen sie zu einer effizienten Ressourcenallokation. Ein Sportartikelverkäufer kann dank eines Rabatts auch seine Modelle vom Vorjahr noch verkaufen. So kann er und ein glücklicher Käufer noch von den Sporttaschen profitieren. Ansonsten wäre der Händler auf ihnen sitzen geblieben. 
  • Drittens erhöhen sie die Innovation der Anbieter. Ein Smartphone-Händler entwickelt gerne bessere Handykameras, falls er überzeugt ist, dass die Leute bereit sind, mehr dafür zu zahlen. 
  • Viertens koordinieren Preise den Tausch zwischen Anbietern und Nachfragern effizient. Du erhältst das Gut, wenn du bereit bist, den Marktpreis (Gleichgewichtspreis) zu zahlen. 
    
    
• Nicht alle Konsumenten sind bereit, gleich viel Geld für ein bestimmtes Gut auszugeben. Max liebt Smartphones und würde einen hohen Preis $$p_A$$​ dafür bezahlen. Beim Gleichgewichtspreis $$p^*$$ erzielt Max eine Rente, von $$(p_A – p^*)$$, da er für das Smartphone weniger zahlen muss, als er zu zahlen bereit wäre. Die Summe der Renten aller Konsumenten entspricht der hellblauen Fläche und heisst Konsumentenrente (KR). 
  
  
• Auch die Produzenten orientieren sich an den Preisen, um zu bestimmen, wie viel sie produzieren wollen. Produzentin Kim wäre bereit, Smartphones zu einem tieferen Preis zu verkaufen als der Gleichgewichtspreis $$p^*$$. Sie erzielt eine Rente, weil sie auch bereit wäre, ihr Smartphone günstiger zu verkaufen. Das hellgrüne Dreieck zeigt die Summe der Renten aller Produzenten und heisst Produzentenrente (PR). 
  
  
• Die Summe der Konsumenten- und Produzentenrente bezeichnet man als gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt.
  

Der Staat als Hüter des Wirtschaftssystems​

• Damit die Preise ihre Funktionen erfüllen können, garantiert der Staat Eigentumsrechte und Vertragsfreiheit. Sonst könnte man die Schuhe einfach stehlen oder du hättest keine Garantie, dass du für den bezahlten Preis auch wirklich die Schuhe erhältst. 
  
  
• In bestimmten Fällen ist die Wirkung der Preise nicht optimal. Es käme zu einer ineffizienten Ressourcenallokation, dem sogenannten Marktversagen. Der Staat greift ein, um Marktversagen zu verhindern. Es gibt mehrere Arten von Marktversagen. 
  • Beim Monopol gibt es nur einen Anbieter auf dem Markt. Wenn nur eine Airline Flüge auf einer Insel anbietet, kann sie die Flugpreise eigenmächtig bestimmen, weil es keine Konkurrenten gibt. Der Staat kann dieses Monopol verhindern, indem er den Monopolisten reguliert oder den Wettbewerb erzwingt. 
  • Öffentliche Güter: Die Chinawiese am Zürichsee ist ein öffentliches Gut. Sie kann von allen benutzt werden. Für eine Privatperson macht es keinen Sinn, eine zweite Chinawiese zu bauen, da niemand von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden kann. Deshalb werden Parks vom Staat gebaut und über Steuergelder finanziert. 
  • Asymmetrische Information: Asymmetrische Information bedeutet, dass Personen mit unterschiedlichem Wissen über das Gut handeln. Wenn u dein gebrauchtes Fahrrad verkaufen willst, kennst nur du seinen effektiven Zustand. Eine Käuferin weiss nicht, wie gut der Zustand deines Fahrrads ist und wird dir deshalb nur wenig Geld dafür anbieten. So kann es vorkommen, dass du dein Fahrrad trotz einwandfreier Qualität nur für wenig Geld verkaufen kannst.
    

Ökonomie und Ökologie: Das Wechselspiel von Profit und Planet

• Externe Effekte stellen ein weiteres Marktversagen dar. Externe Effekte bestehen, wenn der Marktpreis nicht die eigentlichen Kosten widerspiegelt. Wenn du für zehn Franken nach Mallorca fliegst, deckt der Preis des Flugtickets die Kosten der Umweltverschmutzung nicht ab. Unbeteiligte Dritte tragen diese Kosten in Form von Umweltschäden. Dies nennt man negative Externalität.
  
• Zwei Arten von Kosten sind bei der Bewertung negativer Externalitäten relevant: Private Kosten $$A_p$$​ sind die Kosten des Anbieters. Soziale Kosten $$A_s$$​ sind die totalen Kosten einer Aktivität. Zu den sozialen Kosten gehören die privaten Kosten und die Kosten der Umweltverschmutzung. Da die privaten Kosten den Marktpreis $$p_m$$​ bestimmen, wird die Menge $$q_m$$​ an Flügen angeboten. Es wird also zu billig und zu viel geflogen, weil die externen Effekte nicht im Preis berücksichtigt sind.
  
• Durch eine staatliche Lenkungsabgabe kann die Produktion um die Höhe des externen Effekts verteuert werden. Sie führt dazu, dass der Preis des Flugs $$p^*$$​ die höheren sozialen Kosten beinhaltet. Damit würde weniger geflogen (Menge $$q^*$$), und die Preise würden die Umweltbelastung berücksichtigen.

Auch der Staat ist nicht unfehlbar

• Wie oben gesehen, kommt dem Staat die Rolle zu, die verschiedenen Arten des Marktversagens zu beheben. Allerdings sind auch Staatseingriffe nicht vor dem Versagen gefeit.
• Es besteht stets das Risiko, dass Politiker ihren Einfluss zu ihren eigenen Gunsten nutzen. Dies bezeichnet man auch als Politik- bzw. Staatsversagen.
• Politiker Paul könnte z.B. den neuen Park im eigenen Wahlkreis bauen, obwohl der Park aus raumplanerischer Sicht an einer anderen Stelle sinnvoller wäre. Paul macht von seinem politischen Einfluss Gebrauch, um sich bei der Wählerschaft im eigenen Wahlkreis für die bevorstehenden Wahlen beliebter zu machen.
• Deshalb brauchen der Staat und die Politiker auch Regeln, damit sie im gesamtgesellschaftlichen Interesse handeln. Dazu gehört zum Beispiel eine gegenseitige Kontrolle von Parlament und Regierung.
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Quellenverzeichnis:

• Brunetti, A. (2023). Volkswirtschaftslehre. Lehrmittel für die Sekundarstufe II und die Weiterbildung. 15. Auflage 2023. hep Verlag AG, Bern
• Brunetti, A. (2020). Die unsichtbare Hand. Die Volkswirtschaft, 14. September.
• Eisenhut, P. und Sturm, J.E. (2023). Aktuelle Volkswirtschaftslehre - Ausgabe 2022/2023. Somedia Production AG. Somedia Buchverlag, Ennenda 2022. Edition Rüegger.

Glossar:

• Effiziente Ressourcenallokation: Optimale Verteilung von knappen Gütern.
• Externe Effekte: Auswirkungen einer Handlung eines Akteurs auf die Handlungen eines anderen, ohne dass sich dies in den Preisen widerspiegelt. Externe Effekte werden auch als Externalitäten bezeichnet.
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