Kommunikationssituation: Analyse
Das Wichtigste in Kürze
Ist Dir schon mal aufgefallen, dass sich Deine Sprache in Aufsätzen stark von Deiner Sprache in WhatsApp-Chats oder Online-Kommentaren unterscheidet? Und dass Du mit Leuten, die Du kennst und liebst, anders sprichst als mit Unbekannten? Dies hat damit zu tun, dass Deine Art zu sprechen von der Kommunikationssituation geprägt wird, in der Du Dich befindest.
Eine Untersuchung von Sprache sollte daher mit einer Untersuchung der jeweiligen Kommunikationssituation einhergehen. Dieser Überzeugung ist wahrscheinlich auch Deine Lehrperson: Gut möglich, dass Du in der Schule mal eine mündliche Kommunikationssituation, eine Situation innerhalb eines literarischen Texts oder eine Autor-Leser-Kommunikation analysieren musst. In dieser Zusammenfassung erfährst Du, worauf Du dabei achten kannst.
Info 1: Äussere Situation
Möchtest Du eine Kommunikationssituation untersuchen, widme Dich zunächst der „äusseren Situation“. Frage Dich: Was ist der Ort der Kommunikation? Zu welchem Zeitpunkt findet sie statt?
Beispiel:
Auf einem Campingplatz im Schwarzwald am 02. Juni 2022 um 14:00 Uhr
Du kannst auch nach dem Kanal bzw. dem Medium der Kommunikation fragen. Dabei handelt es sich um den Weg, den eine Nachricht vom Sender zum Empfänger durchläuft.
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Mündlichkeit oder Schriftlichkeit
Frage ganz allgemein, ob die Situation von der Mündlichkeit oder Schriftlichkeit geprägt ist. Ist das Medium die mündliche oder die schriftliche Sprache? Wird die Sprache mit der Stimme erzeugt oder mit einem Stift (z.B. Brief) bzw. einer Tastatur (z.B. E-Mail)? -
Face-to-face
Findet die Kommunikation face-to-face statt, d.h. befinden sich der Sender und der Empfänger im selben Raum? In dieser Situation können – wegen der Sichtbarkeit des Gegenübers – neben dem verbalen Austausch auch Körpersignale und Gesichtsausdrücke zur Kommunikation beitragen.
Hinweis:
Ob Videochats auch Face-to-face-Situationen sind, ist in der Forschung umstritten, da man nur einen Teil von sich sieht und einander nicht spüren kann. Was denkst Du dazu?
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Digitalität
Findet die Kommunikation digital statt, z.B. über Telefon, E-Mail, einen Chat, Post oder Online-Kommentar? Dies sind sogenannte „digitale Kommunikationsmedien“. Körpersignale und Gesichtsausdrücke können höchstens mit Symbolen (z.B. Emoticons) gezeigt werden. -
Printmedien (= gedruckte Medien)
Ist es eine Kommunikation, die zwischen einer Autorin oder einem Autor und einer Leserschaft abläuft?
Beispiel – Telefongespräch:
Die Orte sind Berlin und Duisburg, der Zeitpunkt ist der 31. März 2022. Die Kommunikationssituation ist mündlich und digital; der Sender und der Empfänger telefonieren miteinander.
Info 2: Sprache in mündlichen Situationen
Wir haben gesagt, dass die jeweilige Kommunikationssituation die Art zu sprechen beeinflusst. Hier hast Du ein Beispiel der Sprache in mündlichen Situationen, anhand dessen Du dies sehen kannst.
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Spontanität
Du sprichst meist ungeplant und frei. Du legst Dir also Deine Wörter nicht zurecht, sondern sprichst einfach darauf los. -
Höhere Fehlerquote
Da man sich nicht vorbereiten kannst, ist es oft so, dass es hohe „Fehlerquoten“ gibt. Das ist aber nicht weiter schlimm, da Dein Gegenüber dies oftmals nicht einmal bemerkt oder Du den Fehler bereits selbst korrigiert hast. -
Ellipsen
In der mündlichen Sprache werden oftmals Ellipsen verwendet. Ellipsen sind unvollständige Sätze, die aber trotzdem Sinn ergeben. Ellipsen eignen sich gut für spontane Gespräche und den Austausch von „schnellen“ Informationen.
Beispiel:
„Wohin gehst du?“ „Nach Hause.“
statt: „Ich gehe nach Hause.“
Zusatzinfo: Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit
Interessant ist, dass die Sprache in der schriftlichen, digitalen Kommunikation oftmals grosse Ähnlichkeiten mit der mündlichen Sprache hat. Oftmals werden „Rechtschreibfehler“ gemacht, die Satzzeichen werden expressiv verwendet und manchmal werden Sprachen gemischt.
Beispiel – Private WhatsApp-Nachricht:
„michael ist sooooooo lieb omg!!“
In diesem Beispiel werden die Grossschreibung am Satzanfang sowie einige Satzzeichen weg-gelassen. Eine schriftliche, digitale Kommunikationssituation liegt vor – mit einer Sprache, die auch mündlich so verwendet werden würde. Wir stellen also fest, dass Mündlichkeit nicht nur eine Sache des Mediums, sondern auch eine Art „Stil“ ist, der auch in der schriftlichen Sprache verwendet werden kann.
Info 3: Innere Situation
Als Nächstes kannst Du Dich den Einflussfaktoren widmen, die mit der „inneren Situation“ zu tun haben. Benenne zunächst die an der Situation beteiligten Personen.
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Gesprächspartner*innen
Wer ist an der Kommunikationssituation beteiligt? Sind es zwei Personen? Oder spricht eine Person mit vielen? Frage evtl. auch, was für einen soziokulturellen Hintergrund die Gesprächspartner*innen haben. -
privat – öffentlich
Ist die Kommunikationssituation privat oder öffentlich? Eine öffentliche Situation zeichnet sich dadurch aus, dass die Kommunikation zwischen mehreren Leuten stattfindet, die einander nicht kennen. -
Anlass
Was ist der Anlass der Kommunikation? Ist es eine informelle Zusammenkunft (z.B. ein Treffen zwischen Freunden oder eine formelle (z.B. eine Gerichtsverhandlung)? Was möchten die Gesprächspartner*innen voneinander: einen Termin vereinbaren, Smalltalk oder sich freundschaftlich unterhalten?
Hinweis:
In informellen Kontexten wird meist die Alltagssprache und ein mündlicher Ton verwendet. Je formeller die Situation ist und je „ernster“ die Themen sind, desto eher wird ein schriftlicher Stil verwendet.
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Beziehung der Gesprächspartner*innen
Auch Beziehung der Gesprächspartner*innen ist ein sehr zentraler Einflussfaktor. Kennen sie sich? Mögen sie einander? Haben sie denselben Status? Wie steht es um die Machtverteilung?
Hinweis:
Wenn eine Partei viel mehr spricht als die andere, ist dies ein Hinweis darauf, dass sie mehr Macht hat.