Das bisher hier behandelte Modell zur Elektronenpaarbindung, das Lewis-Konzept, kann nicht erklären, wie negativ geladene Elektronen den Zusammenhalt der Atome in einem Molekül bewirken. Ausserdem ist die Anwendung der Oktettregel bei Atomen jenseits der 2. Periode nur eingeschränkt möglich, zum Beispiel bei den Nebengruppenmetallen. Erst durch das Orbitalmodell können diese Sachverhalte erklärt werden.
Die Bindung im Wasserstoffmolekül
Das Standardmodell für eine Elektronenpaarbindung ist das 1s-Orbital im Wasserstoffatom, welches mit einem Elektron nur halb besetzt ist. Nähern sich zwei Wasserstoffatome einander an, dann durchdringen sich ihre Atomorbitale gegenseitig. Hier ziehen sich Elektronen und Atomkerne gegenseitig an. Durch die Elektronenpaarung bildet sich ein zu beiden Atomen gehörendes Molekülorbital, das mit zwei Elektronen, die sich in ihrem Spin unterscheiden, voll besetzt ist. Dadurch nimmt das Potenzial, welches die Bindungsenergie zwischen den Atomkernen beschreibt, ab. Im Energieminimum befinden sich nun anziehende und abstossende Kräfte im Gleichgewicht. Werden die Atomkerne weiter angenähert, dann überwiegen die abstossenden Kräfte gegenüber den anziehenden Kräften. Das Energieminimum wird erreicht, wenn die Bindungslänge der des Wasserstoffmoleküls entspricht. Der Wert des Minimums ist die Bindungsenergie, welche eingesetzt werden muss, wenn die beiden Atome voneinander getrennt werden.
Energieniveau-Schema
Ein Energieniveau-Schemaist die grafische Darstellung der Energieniveaus von Elektronen in Atomen bzw. Molekülen. Die Energieniveaus werden durch waagerechte Striche symbolisiert. Der Energiegehalt eines Elektrons in der Atomhülle entspricht dem Energiebetrag, der beim Einfangen eines aus unendlicher Entfernung kommenden Elektrons in der entsprechenden Atomschale frei wird. Je niedriger ein Energieniveau eines Orbitals ist, desto stärker ist die Bindung, die daraus resultiert. Das Energieniveau-Schema von Molekülen zeigt den Energiegehalt von Molekülorbitalen im Vergleich zu den Atomorbitalen, aus denen sie gebildet werden. Aus den Atomorbitalen entstehen einerseits energieärmere, bindende und andererseits energiereichere, antibindende Molekülorbitale.
Die σ-Bindung
Durch die Wechselwirkung von s-Orbitalen entstehen σ-Bindungen (sigma-Bindungen). Das daraus entstehende Molekülorbital ist rotationssymmetrisch zur Kernverbindungsachse.
Beispiel: Bindung im Iodmolekül
Das Iodatom hat in der Valenzschale die Elektronenkonfiguration 5s2 5p5, was bedeutet, eines der drei p-Orbitale ist mit einem Elektron besetzt. Wird ein Iodmolekül gebildet, dann überlappen die mit einem ungepaarten Elektron besetzten 5px-Orbitale der Iodatome und es entsteht eine σ-Bindung.
Das Konzept der Hybridisierung
Methan CH4 lässt sich in der Lewis-Formel darstellen. Die räumliche Struktur des Methanmoleküls ergibt sich durch das VSPER-Modell: Die vier Wasserstoffatome sind tetraedrisch angeordnet und das Kohlenstoffatom befindet sich in dessen Zentrum. Die Bindungswinkel betragen jeweils 109,5°. Wenn man allerdings die Elektronenkonfiguration des Kohlenstoffatoms im Grundzustand mit 1s2 2s2 2p2 betrachtet, ist es mit den bisherigen Modellen nicht erklärbar, wie vom Kohlenstoffatom vier Bindungen zu vier Wasserstoffatomen ausgehen können. Aus den beiden einfach besetzten p-Orbitalen können nur 2 Bindungen hervorgehen. Die Formel für Methan müsste daher CH2 lauten. Jedoch können nur vier gleichwertige Atomorbitale des Kohlenstoffatoms erklären, dass vier völlig gleichwertige Elektronenpaarbindungen existieren.
Einen Erklärungsansatz liefert das Model der Hybridorbitale: Untersuchungen zeigen, dass die vier C–H-Bindungen absolut gleichwertig sind. Dies wird dadurch erklärt, dass die an der Bindung beteiligten Atomorbitale sich energetisch und räumlich so angleichen, dass gleichwertige Orbitale, die Hybridorbitale, entstehen. Der Vorgang dieser Angleichung wird Hybridisierung genannt. Durch die Bildung von vier energetisch gleichwertigen Bindungen wird im Methanmolekül Energie frei, welche die Energie überkompensiert, welche für die Hybridisierung notwendig ist.
Die 2s- und das 2p-Orbitale hybridisieren zu sp3-Hybridorbitalen, welche sich tetraedrisch ausrichten. Insgesamt entstehen also 4 Bindungen.
Mehrfachbindungen
Das Ethenmolekül C2H4 ist planar gebaut. Die Bindungswinkel betragen etwa 120°. Zwischen den Kohlenstoff- und den Wasserstoffatomen liegen jeweils Einfachbindungen mit gleichen Bindungsenergien vor. Die beiden Kohlenstoffatome sind durch eine Doppelbindung miteinander verknüpft. Mit dem Modell der Hybridisierung lässt sich die Bildung der C=C-Doppelbindung veranschaulichen: Es entstehen aus einem 2s-Orbital und zwei 2p-Orbitalen je Kohlenstoffatom drei sp2-Hybridorbitale. Sie liegen im Ethenmolekül in einer Ebene und sind zu den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks ausgerichtet. Das dritte 2p-Orbital ist nicht in die Hybridisierung einbezogen.
Die Bindungsverhältnisse lassen sich hier wie folgt erklären:
1. Jeweils eines der drei sp2-Orbitale bildet die σ-Bindung zwischen den beiden Kohlenstoffatomen. Die beiden anderen Hybridorbitale bilden σ-Bindungen mit den 1s-Orbitalen der Wasserstoffatome.
2. Die an der Hybridisierung unbeteiligten 2pz-Orbitale der beiden Kohlenstoffatome stehen senkrecht zur Ebene der sp2-Hybridorbitale. Sie überlappen zu einem bindenden π-Molekülorbital. Die durch sie gebildete Bindung heisst π-Bindung. Die Elektronen befinden sich ober- und unterhalb der Kernverbindungsachse. Durch die π-Bindung kommt es zu einer starren Anordnung der Atome im Molekül, sodass die C=C-Doppelbindung nicht frei drehbar ist.
3. Die Energie der C=C-Doppelbindung (molare Bindungsenergie: 614 kJ· mol−1) ist kleiner als die Summe zweier C–C-Einfachbindungen (molare Bindungsenergie: 348 kJ· mol−1). Das bedeutet, dass die π-Bindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen ist im Vergleich zur σ-Bindung schwächer ist. Die Doppelbindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen wird aus einer σ- und einer π-Bindung gebildet.
Im linear gebauten Ethinmolekül C2H2 liegt eine C≡C-Dreifachbindung vor. Jeweils ein 2s-Orbital und ein 2p-Orbital hybridisieren zu zwei sp1-Hybridorbitalen. Diese bilden die σ-Bindungen zwischen den Wasserstoff- und den Kohlenstoffatomen. Aus den zwei an der Hybridisierung nicht beteiligten 2p-Orbitalen entstehen durch Überlappung zwei π-Bindungen, die in einem 90°-Winkel zueinander stehen. Der Bindungswinkel beträgt 180°.
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Teil 2
Elektronenpaarbindung im Orbitalmodell
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist die Valenzbindungstheorie?
In diesem Modell entsteht eine Valenzbindung zwischen zwei Atomen dadurch, dass jedes dieser Atome ein Elektron für eine Bindung zur Verfügung stellt. Diese beiden Elektronen bilden ein Elektronenpaar in einem bindenden Orbital des Moleküls.
Was ist eine π-Bindung?
Bei π-Bindungen ist die aus der Überlappung resultierende Elektronenverteilung oberhalb und unterhalb der Ebene der σ-Bindungen lokalisiert. Die Ebene, in der sich die σ-Bindungen befinden, ist die Knotenebene, die charakteristisch für die π-Bindungen ist. In dieser Knotenebene ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für das Elektron gleich Null.
Was ist eine σ-Bindung?
Eine σ-Bindung ist eine chemische Bindung zwischen zwei Atomen, bei der die Elektronenverteilung der Bindung rotationssymmetrisch, d.h. wie ein Zylinder, zur Verbindungsachse ausgerichtet ist.
Was ist ein Orbital?
Anschaulich stellt man ein Orbital gewöhnlich durch die Oberfläche des kleinstmöglichen Volumens dar, in dessen Inneren sich das Elektron mit grosser Wahrscheinlichkeit aufhält.