Belege für die stammesgeschichtliche Verwandtschaft
Ähnlichkeiten zwischen Lebewesen, wie der Flügel einer Fledermaus und der eines Vogels, können auf verschiedenen Ursprüngen beruhen. Sie können beide von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, sich an ähnliche Umweltbedingungen gleich angepasst haben oder die Ähnlichkeiten können auch durch Zufall entstanden sein.
Homologe und analoge Organe
Das Auftreten ähnlicher Merkmale zwischen Lebewesen kann mithilfe von homologen und analogen Organen besser verstanden werden.
Begriff
Bedeutung
Beispiel
Ursprüngliche Merkmale
Ein ursprüngliches Merkmal ist ein genetisch bedingtes Merkmal, welches der gemeinsame Vorfahre einer Gruppe bereits aufwies. Ein ursprüngliches Merkmal eignet sich nicht dafür, Verwandtschaften innerhalb einer Gruppe zu untersuchen. Dafür sollte man ggf. auf neue, abgeleitete Merkmale achten.
Eine Gruppe vierbeiniger Wirbeltiere werden Tetrapoden genannt, weil ihre Extremitäten grosse Ähnlichkeiten in der Anordnung der Knochen aufweisen: Zuerst kommt der Oberarmknochen, dann folgen zwei Unterarmknochen und danach mehrere Handwurzelknochen.
Abgeleitete Merkmale
Ein abgeleitetes Merkmal ist ein neu auftretendes Merkmal innerhalb einer Gruppe, welches auf eine Verwandtschaft hinweist. Solche abgeleiteten Merkmale eignen sich zur Untersuchung der Verwandtschaften.
Die ähnlich aufgebauten Extremitäten bei Tetrapoden sind kein neues, sondern ein ursprüngliches Merkmal. Aber beispielsweise eine Rückbildung von Zehen ist ein neues und somit ein abgeleitetes Merkmal innerhalb der Tetrapoden. Huftiere mit einem Zeh bilden somit die Gruppe der Unpaarhufer.
Homologe Organe
Homologe Organe sind ähnliche Organe oder Körperstrukturen, die auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen. Eine gleichartige Anordnung der Organe und ihrer Teile beispielsweise weisen auf Homologien hin, die auf eine Abstammungsähnlichkeit beruhen. Homologe Organe können ursprünglich oder abgeleitet sein: Homologe Organe innerhalb der Verwandtschaft sind ursprünglich. Beim gemeinsamen Vorfahren hingegen sind diese homologen Organe abgeleitet.
Viele Tetrapoden haben genau 5 Zehen. Aber es besteht keine Notwendigkeit dafür, da 4 oder 6 Zehen auch denkbar wären. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass diese Anordnung von Knochen mehrfach durch Zufall entstanden ist. Diese Homologie ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass bereits der gemeinsame Vorfahre über solche Extremitäten mit 5 Zehen verfügte.
Divergente Entwicklung und Divergenz
Homologe Organe bei verwandten Lebewesen können sich in Abhängigkeit von Umweltbedingungen im Verlauf der Entwicklung abwandeln. Divergenz bezeichnet die Zunahme dieser Unterschiede (Auseinanderentwicklung der Merkmale).
Die Vorderextremitäten von verschiedenen Tetrapoden wie beispielsweise Elefanten und Robben gelten als homologe Organe, wobei diese aber auch auffällige Unterschiede aufweisen. Diese Unterschiede sind auf umweltbedingte Anpassungen im Verlauf ihrer Entwicklung zurückzuführen.
Analoge Organe
Analoge Organe sind ähnliche Organe, die nicht auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzuführen sind. Die Organe weisen eine ähnliche Struktur aufgrund des gleichen Lebensraums oder ähnlicher Lebensweise auf, aber gleichen sich nicht im inneren Bau. Die Ähnlichkeit der Organe beruht auf deren Funktionsähnlichkeit. Analoge Organe sind immer das Resultat einer konvergenten Entwicklung (Konvergenz).
Die Grabbeine von Maulwurfsgrillen und Maulwürfen gehen nicht auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück. Sie sind nicht miteinander verwandt, sondern haben eine ähnliche Lebensweise.
Konvergente Entwicklung und Konvergenz
Die Entwicklung von ähnlichen Merkmalen über viele Generationen hinweg aufgrund einer ähnlichen Lebensweise bzw. des gleichen Lebensraums nennt man eine konvergente Entwicklung. Solche Analogien, die wegen Funktionsähnlichkeiten entstehen, werden Konvergenzgenannt. Sie beruhen auf ähnliche Selektionsbedingungen.
Maulwurfsgrillen und Maulwürfe leben beide im Boden und graben dort Gänge. Aufgrund dieser Lebensweise haben beide Grabbeine entwickelt. Die Grabbeine ähneln sich, weil sie die gleiche Funktion haben. Diese Ähnlichkeiten sind nicht das Ergebnis einer Verwandtschaft, sondern das Ergebnis einer Entwicklung, die aufgrund einer ähnlichen Lebensweise zustande gekommen ist.
Homologe Organe, vor allem abgeleitete, lassen auf Verwandtschaften schliessen. Sie beruhen auf eine Abstammungsähnlichkeit. Doch was sind die Kriterien für eine Homologie?
Homologiekriterien:
Homologiekriteriumder Lage ist gegeben, wenn die betroffenen Merkmale in gleicher Weise im Körper angeordnet sind. Beispiel: Vergleichbare Knochen im Skelett von verschiedenen Tetrapoden-Extremitäten sind in gleicher Weise angeordnet.
Homologiekriterium der spezifischen Qualität ist gegeben, wenn die betroffenen Merkmale den gleichen inneren Aufbau aufweisen, auch wenn sie etwas unterschiedlich geformt sind. Beispiel: Die Oberarmknochen von Tetrapoden sind zwar leicht unterschiedlich geformt, aber weisen den gleichen inneren Bau auf.
Homologiekriterium der Kontinuität ist gegeben, wenn sich die betroffenen Merkmale durch Zwischen- und Übergangsformen verbinden lassen. Beispiel: Die Knochenstruktur von paarigen Walflossen ähnelt den Vordergliedmassen der Landwirbeltiere. Fossilien weisen darauf hin, dass die Vorfahren von Walen Gliedmassen wie Paarhufer haben.
Diese Kriterien weisen auf die Verwandtschaft der untersuchten Lebewesen hin. Wenn mehrere Kriterien erfüllt sind, kann man von einem gemeinsamen Vorfahren ausgehen.
Rudimente und Atavismen
Begriff
Bedeutung
Beispiel
Rudimentäre Organe
Rudimentäre Organe sind Organe bzw. Organreste, die keine Funktion haben oder ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllen. Sie belegen die stammesgeschichtliche Verwandtschaft von Lebewesen.
Menschen haben ausgeprägte Eckzähne und Ohrmuskeln, obwohl diese Merkmale für Menschen keine wichtige Funktion haben.
Atavismen
Atavismen sind selten auftretende Merkmale, die bei stammesgeschichtlichen Vorfahren vorhanden waren. Sie wurden im Laufe der Zeit reduziert und haben keine Funktion mehr. Sie werden oft als Missbildungen wahrgenommen und gelten als Verwandtschaftsbelege.
Starke Körperbehaarung oder zusätzliche Brustwarzen können bei Menschen sehr selten und spontan auftreten. Das sind Merkmale, die die Vorfahren hatten, aber im Laufe der Jahre reduziert wurden.
Darstellung stammesgeschichtlicher Verwandtschaft
Die stammesgeschichtliche Verwandtschaft kann mit einem Baumdiagramm (Dendrogramm) und mit einem Kladogramm dargestellt werden.
Stammbaum (Dendogramm)
Das Dendogramm ergibt mit einer Zeitachse einen Stammbaum. Damit werden meistens rezente Arten und ihre (als Fossilien vorhandenen) Vorfahren dargestellt. Als Anzeichen für eine Verwandtschaft dienen Homologien (homologe Organe). Ist zudem das Alter von Fossilien bekannt, kann das Diagramm mit einer Zeitskala versehen werden.
Die Kriterien für einen Stammbaum sind somit:
homologe Merkmale
Alter von Fossilien
Kladogramm
Das Kladogramm beruht auf ausgewählten Merkmalen und stellt rezente oder fossile Arten dar. Durch den Aussengruppen- bzw. Innengruppenvergleich wird eine Verwandtschaftsgruppe, also ein Taxon, aufgestellt. Die Aufstellung von Verwandtschaftsgruppen erfolgt nur dann, wenn ein oder mehrere eher neue Merkmale ausschliesslich in einer bestimmten Gruppe auftreten. Diese Merkmale heissen abgeleitete Merkmale. Merkmale hingegen, die bei allen Individuen im Taxon oder bei anderen Lebewesen ausserhalb des Taxons vorkommen, werden als ursprüngliche Merkmale bezeichnet. Die Kriterien für ein Kladogramm sind somit:
abgeleitete Merkmale
ursprüngliche Merkmale
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Dauer:
Teil 1
Allopatrische und sympatrische Artbildung und Artenvielfalt
Teil 2
Synthetische Evolutionstheorie - Variabilität und Genpool
Teil 3
Evolutionstheorien von Darwin und Lamarck
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Teil 4
Belege für die stammesgeschichtliche Verwandtschaft
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was wird unter ursprünglichen und abgeleiteten Merkmalen verstanden?
Ein ursprüngliches Merkmal ist ein genetisch bedingtes Merkmal, welches der gemeinsame Vorfahre einer Gruppe bereits aufwies.
Ein abgeleitetes Merkmal ist ein neu auftretendes Merkmal innerhalb einer Gruppe, welches auf eine Verwandtschaft hinweist.
Was sind rudimentäre Organe beim Menschen?
Rudimentäre Organe sind Organe bzw. Organreste, die keine Funktion haben oder ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllen. Menschen zum Beispiel haben ausgeprägte Eckzähne und Ohrmuskeln, obwohl diese Merkmale für Menschen keine wichtige Funktion haben.
Was sind Atavismen?
Atavismen sind selten auftretende Merkmale, die bei stammesgeschichtlichen Vorfahren vorhanden waren. Sie wurden im Laufe der Zeit reduziert und haben keine Funktion mehr. Sie werden oft als Missbildungen wahrgenommen und gelten als Verwandtschaftsbelege.
Bei Menschen zum Beispiel können sehr selten und spontan starke Körperbehaarung oder zusätzliche Brustwarzen auftreten. Das sind Merkmale, die die Vorfahren hatten, aber im Laufe der Jahre reduziert wurden.