Um zu überleben, benötigen alle Lebewesen Nahrung. Manche Tiere ernähren sich nur von Pflanzen, während Raubtiere vom Fleisch anderer Tiere leben. Es ist kein Geheimnis, dass Fleischfresser ihr Futter meist selbst jagen und töten. Raubtiere haben dabei ein Beuteschema, sie jagen also eine bestimmte Art von Tieren, die von ihren Bedürfnissen abhängt.
Eine Hauskatze erlegt beispielsweise Mäuse oder kleine Vögel, wovon ein Löwe aber wohl kaum satt wird. Für Löwen wäre es schlichtweg eine Energieverschwendung, sich auf kleine Nagetiere zu spezialisieren.
In der Tierwelt entwickelten sich dadurch sogenannte Räuber-Beute-Systeme.
Populationen
Begriff
Erklärung
Population
Gesamtheit aller Individuen einer Art, die in einem zusammenhängenden Gebiet leben und sich miteinander fortpflanzen.
Populationsgrösse
Anzahl der Individuen innerhalb einer Population.
Populationsdichte
Anzahl der Individuen einer Art pro Fläche. Sie nimmt zu, wenn die Geburtenrate im Vergleich zur Sterberate steigt. Eine zu hohe Dichte kann bei stressanfälligen Arten zu sogenanntem Dichtestress führen, welcher wiederum die Fortpflanzung beeinflussen kann.
Lebenserwartung
Durchschnittlich erwartete Dauer des Lebens eines Individuums einer bestimmten Art. Sie hängt von vielen Faktoren ab, wie dem Nahrungsangebot oder Fressfeinden.
Modelle zum Populationswachstum
Wenn Du die Populationsdichte einer Tierart über eine längere Zeit beobachtest, wirst Du sehen, dass sie meist zyklisch schwankt. Die Veränderung der Populationsdichte wird an der Geburten- und Sterberate gemessen, wobei die Differenz die Wachstumsrate darstellt. Dabei ist die Geburtenrate die durchschnittliche Anzahl an Nachkommen pro Individuum in einem bestimmten Zeitraum t, während die Sterberate die Anzahl Todesfälle im selben Zeitraum beschreibt. In der Realität sind diese beiden Raten nie konstant.
Berechnung der Wachstumsrate
r=b−d
r = Wachstumsrate; b = Geburtenrate; d = Sterberate
Eine Population wächst exponentiell, falls die Wachstumsrate r positiv ist, das heisst, die Geburtenrate ist höher als die Sterberate. In der freien Natur geschieht das aber nur annähernd und unter ganz bestimmten (idealen) Bedingungen: Die Anfangspopulation muss klein sein, sie muss viel Platz und genügend Nahrung zur Verfügung haben, während wenige Fressfeinde anwesend sind.
Wenn die Wachstumsrate konstant ist, kannst Du mit diesen Angaben auch die Entwicklung einer Population für mehrere Generationen berechnen. Die Anfangspopulation wird dabei als N0 bezeichnet.
N=N0⋅er⋅et
Logistisches Wachstum
Je stärker die Population wächst, desto begrenzter wird die Nahrung. Irgendwann erreicht die Population also eine obere Grenze, die als UmweltkapazitätK bezeichnet wird. Wird diese Grenze erreicht, steigt die Sterberate an, während die Geburtenrate sinkt. Dieses Phänomen nennt sich logistisches Wachstum. Die Geburten- und Sterberate schwanken dabei um den Wert der Umweltkapazität K.
Räuber-Beute-Wechselwirkungen
Natürlich ist es schwierig, den genauen Bestand einer Population nachzuverfolgen. Trotzdem gibt es ein prominentes Beispiel eines Räuber-Beute-Systems:
Die Kanadaluchse und Schneeschuhhasen. Dieses System ist ein ideales Beispiel, weil das Klima der nordöstlichen Tundra Kanadas nur wenige Tierarten beherbergt. Somit fressen die dort einheimischen Luchse auch fast nur Schneeschuhhasen, während die Schneeschuhhasen fast nur von Luchsen gefressen werden.
Somit ist dieses System ein Musterbeispiel und diente als Grundlage für das Modell der Populationsdynamiken.
Die Grundannahme bei diesem Modell ist, dass sich die Populationen der Räuber und Beutetiere gegenseitig in ihrer Grösse beeinflussen.
Das Ganze passiert in einem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage.
Wenn es in der Tundra viele Schneeschuhhasen gibt, haben die Luchse auch reichlich zu fressen. Dadurch bekommen die Luchse mehr Nachkommen.
Da es jetzt aber mehr Raubtiere gibt, sinkt die Population der Schneeschuhhasen. Somit können die Luchse nicht mehr so viele Mäuler stopfen: Ihre Geburtenrate sinkt.
Weil die Hasen sich nun sicherer fortpflanzen können, tun sie das auch.
Ihre Geburtenrate steigt und wir stehen wieder am Anfang des Kreislaufs. Wie Du siehst, reguliert sich dieses System also von selbst.
Das Lotka-Volterra-Modell
Dieses Modell wurde nach seinen Autoren, Alfred L. Lotka und Vito Volterra benannt. Dies taten sie aber nicht in Zusammenarbeit: Tatsächlich veröffentlichten sie beide unabhängig voneinander in der Mitte der 1920er-Jahre ein Modell, in dem sie dasselbe Phänomen beschrieben. Mit diesem Modell kann man das Zusammenspiel und die Wechselwirkung der jeweiligen Populationen eines Räuber-Beute-Systems mathematisch berechnen. Somit konnten dann auch zwei Regeln formuliert werden.
Die erste Regel besagt, dass die Populationsgrössen der Räuber und der Beute periodisch schwanken. Dies tun sie phasenverzögert, das heisst, zeitversetzt, wobei die Grösse der Beutepopulation den Ton angibt.
In der zweiten Regel wird festgelegt, dass die durchschnittlichen Populationsgrössen der Räuber und Beutetiere über eine längere Zeitspanne betrachtet konstant sind.
Danach wurde noch eine dritte Regel entwickelt. Diese beschreibt die Erholung beider Populationen des Räuber-Beute-Systems, wenn sie gleich schwerwiegende Verluste einbüssen müssen, beispielsweise, wenn sie von einer Naturkatastrophe betroffen sind. In so einem Fall erholt sich die Beutepopulation schneller als diejenige der Räuber, weil sie schneller Nachkommen zeugen und dabei grössere Würfe haben als die Räuber.
Kritik am Modell
Wie alle Modelle ist das Lotka-Volterra-Modell natürlich nicht perfekt. Expert*innen kritisieren vor allem zwei Punkte. Einerseits vernachlässigt das Modell die Tatsache, dass Räuber sich nicht nur von einem bestimmten Beutetier ernähren und die Beutetiere auch von anderen Räubern gefressen werden. Vor allem, wenn eine Beutepopulation sinkt, weichen Räuber in der Natur auf alternative Beutetiere ab. Stell Dir vor, Dein Lieblingsessen wäre plötzlich nur noch schwer zu bekommen. Du würdest doch auch nicht ganz aufhören, zu essen – oder? Andererseits stellt das Modell die Stärke der gegenseitigen Einflüsse nicht realitätsgetreu dar. Im Modell beeinflussen sich die beiden Populationen ungefähr gleich stark. Tatsächlich ist es aber so, dass die Räuberpopulation stärker von der Beutepopulation abhängt als umgekehrt. Ausserdem sind Fressfeinde nicht die grösste Gefahr für die Beutetiere, sondern Nahrungsmangel, Dichtestress (Stress, der entsteht, wenn zu viele Artgenossen vorhanden sind) und Witterungseinflüsse. Auf Inseln, wo es keine Luchse gibt, sehen die Schwankungen der Hasenpopulation ziemlich ähnlich aus.
Zusatzinfo: Modelle in der Wissenschaft
Wenn Du Dir ein Modellflugzeug mal genauer anschaust, fällt Dir eine ganz bestimmte Sache sofort auf: Es sieht zwar aus wie ein Flugzeug, vielleicht lassen sich die Turbinen drehen oder es kann sogar abheben, aber es ist viel kleiner als ein echtes Flugzeug. Wenn es fliegen kann, dann niemals so weit wie echte Flugzeuge und Platz für Passagiere gibt es schon gar nicht. Zudem gibt es auf der Fernbedienung bei Weitem nicht so viele Knöpfe und Hebel wie in einem Cockpit. Die Steuerung ist also vereinfacht. Dadurch ist es auch Kindern möglich, sogar ohne eine Pilot*innenausbildung ein Flugzeug zu fliegen und zu beobachten, wie der Wind und die Schwerkraft auf die Maschine einwirken. So sind Modelle in der Wissenschaft auch nur vereinfachte Versionen, beziehungsweise Abbildungen, von sehr komplizierten Vorgängen in der Natur. Meist betrachten sie nur einen Teil eines Phänomens und vernachlässigen dabei andere Einflüsse. Dies tun sie aber mit Absicht: so können die Expert*innen diese Einzelteile besonders genau betonen. Oftmals existieren mehrere Modelle, die dasselbe Phänomen beschreiben, sich dabei aber jeweils auf andere Einflüsse konzentrieren. Wichtig ist, dass Du das im Hinterkopf behältst, wenn Du so ein Modell siehst. So kannst Du diese Modelle kritisch hinterfragen und Dir überlegen, wie dieser Vorgang wohl in der Realität aussehen mag. Welchen Einfluss hätte beispielsweise ein vollgeladener Frachtraum auf unser Modellflugzeug?
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Dauer:
Teil 1
Populationsentwicklung und Räuber-Beute-Modelle
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie berechne ich das Wachstum einer Population?
Wachstumsrate = Geburtenrate minus Sterberate
Was ist das Lotka-Volterra-Modell?
Es beschreibt die Wechselwirkungen der Populationsgrößen eines Räuber-Beute-Systems mit drei Regeln.
Wächst eine Population exponentiell?
Nur annähernd und unter idealen Bedingungen: Viel Platz, viel Futter, wenige Fressfeinde.