Die Diagnose ADHS kann für Betroffene sehr einschneidend sein und vor allem zu Beginn Ängste und Unsicherheiten auslösen. Allerdings kann es sehr hilfreich sein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, um gemeinsam mit dem Kind zu arbeiten, zusammen Lösungen zu finden und Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Wichtig ist, dass man weiss, dass niemand ‚schuld’ ist. Ausserdem gibt es heute verschiedene Unterstützungs- und Behandlungsmöglichkeiten, die Betroffenen helfen, einen möglichst normalen Alltag zu führen. Im folgenden Artikel erfahren Sie, was ADHS genau ist, was die Diagnose für die Familie bedeutet und welche Faktoren zu schulischem Erfolg beitragen können.
Was ist ADHS?
ADHS – diese vier Buchstaben stehen für
Aufmerksamkeits-Defizit-Hyper-/Hypo-Aktivitätsstörung. In der Forschung geht man heute davon aus, dass es sich um eine komplexe Entwicklungsverzögerung des Selbstmanagement-Systems im Gehirn handelt. Dies bedeutet konkret, dass
Reize anders gefiltert werden und das Gehirn in gewissen Regionen mit Reizen überflutet wird. Dadurch entsteht im Hirn ein fein verzweigtes Netz von Nervenbahnen, womit die Entwicklung von wichtigen Lernbahnen erschwert wird.
Symptome äussern sich meist schon in der Kindheit und Jugend, die Diagnose kann aber oft auch später kommen. Entgegen der Annahme, ADHS sei eine auf das Kindesalter beschränkte Entwicklungsstörung, ist heute wissenschaftlich bewiesen, dass auch Erwachsene an dieser Krankheit leiden können. Zu den
Symptomen zählen Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen; Impulsivität; ausgeprägte Unruhe, nach innen gerichtet (Hypoaktivität) oder nach aussen sichtbar (Hyperaktivität). Es gibt aber viele weitere mögliche Symptome, die je nach Alter und Geschlecht in unterschiedlichen Formen auftreten. Ganz allgemein kann man sagen: ADHS-Betroffene haben einen
anderen Wahrnehmungs- und Reaktionsstil.
ADHS und die Familie
Auch auf die Atmosphäre und das Zusammenspiel in der Familie kann ADHS einen grossen Einfluss haben. Familienmitglieder müssen teilweise viel Kraft, Geduld und Verständnis aufbringen. Nichtsdestotrotz sollte auf Erholung, Pausen und ein eigenes Leben nicht verzichtet werden. Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst, treffen Sie sich mit Freund*innen und unternehmen Sie Ausflüge, wenn Sie Ablenkung brauchen.
Sie brauchen selbst auch genügend Kraft, um Ihr Kind unterstützen zu können.
Versuchen Sie, die Tage klar zu regeln und zu
strukturieren, das hilft allen Beteiligten und entlastet die Familie. Schaffen Sie ein
Klima des Vertrauens: Alle dürfen ihre Bedürfnisse und Grenzen kommunizieren. Wenn sich jemand vernachlässigt fühlt, soll dies thematisiert werden, damit gemeinsam nach Lösungen gesucht werden kann. Eigene
Grenzen zu erkennen und zu setzen ist für jedes Kind wichtig: Lassen Sie Ihrem Kind auch seinen Freiraum und ermöglichen sie ihm einen Rückzugsort.
ADHS in der Schule
Für Kinder mit ADHS kann die Schule schnell eine Überforderung darstellen: Ein Haufen Kinder und alle haben
eigene Bedürfnisse, teilweise ist es laut und man soll oft lange still sitzen. Zusätzlich noch Aufgaben zu lösen, an Hausaufgaben zu denken und vorausschauend für Prüfungen zu lernen, kann schnell überwältigen. Kinder mit ADHS tendieren dazu, Hefte und Bücher liegen zu lassen, Hausaufgaben oder Briefe an die Eltern zu vergessen. Dieses Verhalten ist unterschiedlich ausgeprägt und es sind nicht die einzigen Probleme, mit denen Kinder mit ADHS zu kämpfen haben.
Ordnung zu schaffen und diese aufrechtzuerhalten ist nicht nur für Kinder mit ADHS eine komplexe Aufgabe. Wenn man nur noch den Berg an Arbeit sieht und nicht weiss, wo man anfangen soll, kann das sehr lähmend sein und dazu führen, dass Aufgaben chaotisch oder gar nicht erledigt werden. Doch es gibt diverse Strategien, die Sie selbst zu Hause mit den Kindern einüben können, damit sie lernen, ihre Aufgaben selbständig zu erledigen.
Das Wichtigste – egal, um was es sich handelt – ist
Struktur und Durchhaltevermögen. Kinder mit ADHS müssen Abläufe oft länger trainieren und einüben als andere Kinder. Das bedeutet, dass auch die Eltern oder Betreuungspersonen geduldig sein müssen und nicht aufgeben sollen.
Konkret gibt es folgende Strategien, die bei der Erschaffen eines
Organisationssystems hilfreich sein können:
Mit Farben arbeiten
Kinder mit ADHS arbeiten oft gut mit Farben. Versuchen Sie also, ein Farbsystem einzuführen, um Ordnung im Schulalltag zu schaffen.
Fragen Sie Ihr Kind, welches Fach zu welcher Farbe passt. Anschliessend organisieren Sie die Hefte, Stifte, Hilfsmittel und Mäppchen in diesen Farben. Beispielsweise ist das Heft für Mathematik rot, das Heft für Geschichte grün und das Heft für Englisch gelb. Schulbücher können Sie in farbigem Papier einpacken, damit sie dem Farbcode entsprechen und gleichzeitig auch geschützt sind. Die Hülle des Taschenrechners oder des Zirkels kann man zum Beispiel gemeinsam mit roter Farbe bemalen, während die Vokabel-Liste in ein gelbes Mäppchen kommt. Auch eine Mappe mit Informationen für die Eltern kann erstellt werden.
Personalisieren Sie so gemeinsam mit Ihrem Kind die Schulsachen mit dem Farbcode. Anschliessend können Sie zum Beispiel den Stundenplan ausdrucken und die Stunden mit den entsprechenden Farben einfärben. So kann Ihr Kind jeden Tag auf dem Stundenplan nachschauen, welche Farben eingepackt werden müssen.
Routine nach der Schule einführen
Kinder mit ADHS neigen dazu, Hausaufgaben zu vergessen. Versuchen Sie also, eine Routine einzuführen, um Schulsachen zeitig zu erledigen, um zu vermeiden, dass sie bis zum Vergessen herausgeschoben werden. So kann man beispielsweise jeden Tag nach der Schule Zeit einplanen, um zu Beginn gemeinsam und nach einiger Zeit selbständig die Hausaufgaben zu erledigen.
Eine solche Routine könnte folgendermassen aussehen:
Nach der Schule gibt es für 30 Minuten einen kleinen Snack (zum Beispiel Apfelschnitze und Salzstangen), damit das Kind eine kurze Pause machen kann. Anschliessend wird die ganze Schultasche ausgeräumt und alles, was noch lose herumfliegt, ins Farbsystem eingeordnet. Es kann dabei helfen, diese Blätter mit einem Klebestift einzukleben, damit sie nicht wieder verloren gehen. Nachdem alles sortiert ist, kann man mit den Hausaufgaben beginnen.
Natürlich ist die Einführung eines solchen Ordnungssystems nicht einfach und braucht viel
Zeit, Übung und Geduld. Aber wenn Sie es einmal so weit geschafft haben, dass Ihr Kind selbständig die Ordnung in der Schule behalten kann, dann kann das eine grosse Erlösung und viel gewonnene Zeit für Sie bedeuten.
Weitere Informationen finden Betroffene und ihre Familien beim
Schweizerischen Dachverband, der
Schweizerischen Fachgesellschaft ADHS sowie beim
Schweizerischen Bundesamt für Gesundheit.