Neben der
gymnasialen Maturität, die Du an einer Kantonsschule erlangst, gibt es zwei weitere Möglichkeiten: die Berufsmaturität und die Fachmaturität. Diese beiden ermöglichen Dir den Zugang zu einer begrenzten Auswahl an Studiengängen an einer
Schweizer (Fach-)Hochschule. Mit der
Ergänzungsprüfung, der
Passerelle, wird aus diesem begrenzten Zugang ein (fast) uneingeschränkter
Zugang zu den Schweizer Hochschulen oder Universitäten.
Da das Schweizer Schulsystem nach dem Prinzip des
Föderalismus funktioniert, kann es zwischen den Kantonen Unterschiede in Bezug auf die Fächerwahl, die Zulassungskriterien, den Ablauf usw. der BMS oder FMS geben.
In diesem Artikel erhältst Du einen
umfassenden Überblick über die Berufsmaturität, die Fachmaturität und die Passerelle in der Schweiz.
Berufsmaturität
Die
Berufsmittelschule BMS entspricht einer erweiterten Allgemeinbildung, welche die berufliche Grundbildung (die Lehre) und den Erwerb des
eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses EFZ ergänzen soll.
Sie kann entweder 3-4 Jahre begleitend zur Lehre (BM1) oder danach (BM2) in einem Jahr Vollzeitschule absolviert werden.
Um die BMS während der beruflichen Grundbildung
BM1 besuchen zu können, sind gewisse Voraussetzungen nötig, wie zum Beispiel gute Noten im Schulzeugnis oder die Zustimmung des Arbeitgebenden. Der zusätzliche Unterricht für die BM1 erfordert normalerweise einen zusätzlichen halben Schultag.
Die
BM2, das heisst die BMS nach Abschluss der beruflichen Grundbildung und Erhalt des EFZ, ist in der Regel eine Vollzeitausbildung, die ein Jahr dauert. Es gibt jedoch auch eine Teilzeitvariante, die normalerweise etwa zwei Jahre dauert. Voraussetzung für die Aufnahme in die BM2 sind gute Schulnoten und gegebenenfalls eine Aufnahmeprüfung.
Mit dem erfolgreichen Abschluss der BMS erhält man die
Berufsmaturität, einen eidgenössisch anerkannten Abschluss, der zum Studium an einer
Fachhochschule (FH) im gleichen Berufsfeld berechtigt oder die Türen zu anderen Weiterbildungen öffnet.
Es gibt
fünf Fachrichtungen für die Berufsmaturität. Der Inhalt der Ausbildung hängt von der gewählten Ausrichtung und dem vorgesehenen Studienfach ab. Es ist zu beachten, dass einige Fachrichtungen nur in bestimmten Kantonen angeboten werden.
- Technik, Architektur und Life Sciences:: Diese Fachrichtung wird vor allem bei einer Lehre im technischen oder handwerklichen Bereich bevorzugt gewählt und ermöglicht ein Studium an einer Fachhochschule in den folgenden Fachgebieten: Technik und Informationstechnologie; Architektur, Bau- und Planungswesen; Chemie und Life Science.
- Natur, Landschaft und Lebensmittel: Diese Ausrichtung wird bei einer Lehre im Bereich Natur, Landschaft und Ernährung gewählt und ermöglicht das Studium im Bereich Land- und Forstwirtschaft an einer Fachhochschule.
- Wirtschaft und Dienstleistungen: Diese Fachrichtung ergänzt eine Lehre im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen oder eine Handelsmittelschule (HMS). Mit einer Berufsmaturität in diesem Bereich ist es zum Beispiel denkbar, an einer Fachhochschule Wirtschaft (Betriebswirtschaftslehre oder Volkswirtschaftslehre) zu studieren.
- Gestaltung und Kunst: Diese Ausbildungsrichtung ergänzt eine Lehre im künstlerischen, technischen oder handwerklichen Bereich und ermöglicht es, Design an einer Fachhochschule zu studieren.
- Gesundheit und Soziales: Diese Fachrichtung ergänzt eine Lehre im gesundheitlich-sozialen Sektor und berechtigt, an einer Fachhochschule Sozialarbeit oder Fachbereiche des Gesundheitswesens zu studieren.
Die Berufsmaturität setzt sich aus
drei Teilbereichen zusammen:
- Der Basisbereich mit Mathematik, einer 1. Landessprache, einer 2. Landessprache und einer 3. Sprache (Englisch).
- Der Schwerpunktbereich, das heisst die berufsorientierten Fächer wie Finanz- und Rechnungswesen, Kunst, Kultur, Information und Kommunikation, Mathematik, Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Wirtschaft und Recht.
- Die Ergänzungsfächer Geschichte und Politik, Technik und Umwelt, Wirtschaft und Recht, von denen man zwei wählen muss.
Warum solltest Du Dich für eine Berufsmaturität entscheiden? Zum einen ermöglicht eine Berufsmaturität, Dich
weiterzubilden, an einer
höheren Fachhochschule zu studieren oder einen
Bachelor-Abschluss an einer Fachhochschule zu erwerben. Andererseits erhöht sie Deine Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Fachmaturität
Die
Fachmittelschule (FMS) bietet eine
vertiefte Allgemeinbildung und bereitet auf eine Ausbildung auf Tertiärniveau (das heisst auf Hochschulniveau) in verschiedenen Berufsfeldern vor. Die
Zulassung zu einer FMS variiert von Kanton zu Kanton und kann daher aus einer Aufnahmeprüfung, einem Aufnahmegespräch, Empfehlungen, schulischen Leistungen usw. bestehen. An einer FMS kann man einen Fachmittelschulausweis sowie die Fachmaturität erwerben.
Nach drei Jahren an der FMS erhält man den
Fachmittelschulausweis, der den direkten Zugang zu einer höheren Fachschule ermöglicht.
Darüber hinaus kann nach dem Erwerb des Fachmittelschulausweises in einem weiteren Ausbildungsjahr die
Fachmaturität erworben werden, die zu bestimmten Studiengängen an den schweizerischen Fachhochschulen sowie an den Pädagogischen Hochschulen (je nach gewähltem Berufsfeld) berechtigt. Um die Fachmaturität zu erlangen, müssen verschiedene
Zusatzleistungen wie Praktika, praktische individuelle Leistungen oder eine zusätzliche Allgemeinbildung erbracht werden. Zudem muss eine Fachmaturitätsarbeit verfasst und präsentiert werden.
Welche Fächer erwarten Dich an der FMS? Die
Unterrichtsfächer an der FMS lassen sich in allgemeine Fächer und berufsbezogene Fächer unterteilen. Zu den allgemeinen Fächern (die je nach Kanton unterschiedlich sein können) gehören:
- Sprachen: eine 1. Landessprache, eine 2. Landessprache und eine weitere Fremdsprache (meist Englisch)
- Mathematik und Naturwissenschaften: Mathematik, Biologie, Chemie, Physik und Informatik
- Geistes- und Sozialwissenschaften: Geografie, Geschichte, Wirtschaft und Recht, Psychologie, Philosophie und Soziologie
- Musische Fächer: Bildnerisches Gestalten (Kunst), Musik, Theater
- Sport
An der FMS können verschiedene
Wahlfächer zu einem oder zwei ausgewählten Berufsfeldern belegt werden. Die Schüler*innen können zwischen den folgenden Berufsfeldern wählen:
- Pädagogik
- Soziale Arbeit
- Kommunikation und Information
- Gesundheit oder Gesundheit/Naturwissenschaften
- Gestaltung und Kunst
- Musik und/oder Theater
Passerelle
Nach dem Erwerb der Berufsmaturität und der Fachmaturität kannst Du eine
Ergänzungsprüfung, die Passerelle, ablegen. Diese ermöglicht Dir den
Zugang zu (fast) allen Studiengängen an
Schweizer Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen, Universitäten oder der ETH. (Für das Medizinstudium musst Du zusätzlich einen Eignungstest absolvieren, dieser ist für alle obligatorisch).
Achtung: Die Passerelle ist keine
gymnasiale Maturität, sondern ermöglicht im Zusammenhang mit der Berufsmaturität und der Fachmaturität lediglich den Zugang zu allen Schweizer Schulen auf der Tertiärstufe. Ein Studium im Ausland kannst Du mit der Passerelle allerdings nur dort absolvieren, wo diese anerkannt ist.
Zur
Ergänzungsprüfung können sich nur Personen anmelden, die eine Fachmaturität oder eine Berufsmaturität vorweisen können. Diese findet zwei Mal pro Jahr statt und wird vom Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SEFR) organisiert. Geprüft werden:
- Deutsch: schriftlich und mündlich
- Französisch oder Englisch: schriftlich und mündlich
- Mathematik: schriftlich und mündlich
- Naturwissenschaften: schriftlich
- Geisteswissenschaften: schriftlich
Die
Vorbereitung auf die Passerelle kann entweder individuell als Selbststudium oder im Rahmen eines einjährigen Vorbereitungskurses erfolgen. Am besten informierst Du Dich im Internet über die verschiedenen Schulen, die Preise, die Anmeldefristen etc.
Quellen:
- Schweizerische Dienstleistungszentrum Berufsbildung | Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung SDBB, Berufsmaturität kurz erklärt, Bern, 2022, (15.12.2022).
- Schweizerische Dienstleistungszentrum Berufsbildung | Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung SDBB, Ergänzungsprüfung Passerelle ‘Berufsmaturität, Fachmaturität- Universitätre Hochschulen’, Bern, 2022, (15.12.2022).
- Schweizerische Dienstleistungszentrum Berufsbildung | Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung SDBB, Fachmittelschulausweis, Fachmittelschule kurz erklärt, Bern, 2022, (15.12.2022).