Wohl fast alle Schweizer*innen haben bereits Diskussionen über das
Schweizer Schulsystem geführt. Auch die Macher*innen von evulpo, nämlich immer dann, wenn es darum gegangen ist, herauszufinden, welche Themen in den verschiedenen Kantonen der Deutschschweiz unterrichtet werden.
Kein Wunder hat man solche Diskussionen! In keinem anderen Land auf der Welt gibt es so eine
grosse Variation an unterschiedlichen Schulsystemen: Gut möglich, dass zwei Jugendliche nur 10 Kilometer voneinander entfernt wohnen – und trotzdem ein ganz anderes Schulsystem besuchen. «Hä? Bi eu chan mer scho nach de 6. Klass is Gymi? Bi eus erst nach de zweite Sek!»
Was haben die Kantone gemeinsam?
So unterschiedlich die Ausprägungen des Schulsystems in den einzelnen Kantonen auch sein mögen, wenigstens der
Aufbau der Schulsystems ist in jedem Kanton sehr ähnlich. Die obligatorische Schulzeit, auch «Volksschule» genannt, dauert in jedem Kanton neun Jahre, wobei zuerst sechs Jahre lang die «Primarschule» und dann drei Jahre lang die «Sekundarschule» besucht wird. Das ist fix, das ist gleich, das unterscheidet sich nicht zwischen den einzelnen Kantonen. Ab der Sekundarstufe beginnen die Unterschiede: Das Wort
«Flickenteppich» beschreibt die Situation des Schweizer Schulsystems wohl am besten.
Sekundarschule: Gemischte oder getrennte Niveauklassen in der Sekundarschule
Ein erster Unterschied von Relevanz zeigt sich mit Blick auf die
Aufteilung der Sekundarstufe. Es gibt einige Kantone, welche die Schüler*innen nach der sechsten Klasse in Leistungsgruppen aufteilen, wie z. B. «Sek A», «Sek B», «Real», andere wiederum nicht. Es gibt andere Kantone, in welchen die Schüler*innen nach der sechsten Klasse nicht in Leistungsgruppen aufgeteilt werden. In weiteren Kantonen wiederum, speziell genug, herrscht diesbezüglich ein Mischsystem; dort ist es den Schulen überlassen, zu entscheiden, ob man Schüler*innen in verschiedene Niveaus einteilen möchte oder nicht.
Leistungsunterschiede bei Schulsystemen mit unterschiedlichen Niveaus
Ein zweiter Unterschied von Bedeutung zeigt sich mit Sicht auf die Leistungen der Schüler*innen. In Kantonen mit Leistungsgruppen zeigen sich unter den Schüler*innen typischerweise erhebliche
Leistungsunterschiede. Ohne diese unterschiedlichen Niveaus sind die Leistungsunterschiede geringer. In dieser Hinsicht lässt sich folgern, dass zum Beispiel lernstarke Jugendliche von einem aufgeteilten, lernschwache Jugendliche von einem integrierten Unterricht profitieren können.
Unterschiedliche Aufnahmebedingungen im Gymnasium
Die kantonalen Richtlinien für die
Aufnahme ins Gymnasium sorgen immer wieder für Diskussionen, denn pro Kanton sind die Bedingungen unterschiedlich: Mal gibt es strenge Anforderungen – mal gibt es leichte Anforderungen. Mal ist die Aufnahmeprüfung sehr schwer, mal ist die Aufnahmeprüfung relativ einfach. Mal muss der Notenschnitt sehr hoch sein, mal muss der Notenschnitt vergleichsweise tief sein. Eine Konsequenz solcher Umstände: In Genf schliessen ca. 30 % das Gymnasium ab – in Glarus gerade mal um die 13 %.
Härtere Anforderungen im Gymnasium sorgen für weniger Studienabbrecher*innen
Gut nachvollziehbar, dass Maturand*innen derjenigen Kantone, die geringe gymnasiale Maturitätsquoten besitzen, meist
sehr gute Student*innen werden. Durch die Erfahrung mit hohen Anforderungen meistern sie die Ansprüche an der Universität für gewöhnlich sehr gut. Jedenfalls zeigen die Statistiken: Die meisten Studienabbrecher*innen stammen aus den Kantonen mit den höchsten Maturitätsquoten.
Dualer Bildungsweg als internationales Alleinstellungsmerkmal
Vergleicht man die Situation in der Schweiz mit dem Ausland, so fällt schnell auf, dass die Schweiz in ihrer
Bildungspolitik andere Schwerpunkte als das Ausland setzt. Nur etwa 20 % schliessen hierzulande die Sekundarstufe II mit einer gymnasialen Maturität ab. Über 60 % starten mit einer praxisorientierten Lehre. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Quote der Schüler*innen mit einer gymnasialen Maturität bei über 40 %. Das Schweizerische Schulsystem nennt man deshalb auch «duales Schulsystem»: Es ist nicht nur auf das
Akademische ausgerichtet, sondern auch auf das
Berufliche, also auf die Berufsausbildung und dazugehörende Weiterbildungen. In diesem Artikel zeigen wir die
Unterschiede zwischen Universität und Fachhochschule.
Eine Hoffnung: Angleichungen zwischen den verschiedenen Kantonen
Grundsätzlich ist es sicherlich wünschenswert, wenn der «Kantönligeist» etwas weichen würde. Wichtig ist doch, dass die Schweizer Schüler*innen mehr oder weniger vor den
gleichen Wegen, vor den
gleichen Möglichkeiten, auch vor den
gleichen Schwierigkeiten< stehen würden! Wer weiss? Vielleicht hilft dabei der
«Lehrplan 21», ein Projekt, mit welchem die Schulsysteme der Kantone aneinander angeglichen werden sollen.